Die bislang besprochenen Formalismen, nämliche assoziative Netze, Konzeptrahmen und Vererbungssysteme, haben sich allesamt als in einem gewissen Sinne äquivalent mit eingeschränkten logischen Formeln erwiesen, wenn diese in bestimmter Weise repräsentiert sind und von bekannten logischen Mechanismen (wie zB. Definitionen) Gebrauch machen. Eine völlige Äquivalenz konnte schon deswegen nicht erreicht werden, weil wir nun auch Phänomene der Inkonsistenz sowie der Nichtmonotonie in Betracht gezogen haben. Diese Einschränkungen haben sich als zu stark erwiesen, so daß man sich um Erweiterungen bemüht hat, die zwar immer noch nicht die ganze Logik umfassen, um weiterhin die Vereinfachungen in der Darstellung zu ermöglichen, die wir bei den genannten Formalismen kennengelernt haben. Eine der erfolgreichsten Erweiterungen dieser Art sind die terminologischen Systeme, die aus den Bemühungen um die Entwicklung von KL-ONE (siehe Abschnitt 2.8.1) hervorgegangen sind.
Diesen Systemen liegt noch die weitere Idee der Trennung der
Terminologie zur Beschreibung eines Sachverhalts von
der Beschreibung des Sachverhalts selbst zugrunde. Terminologische Logiken
stellen in diesem Sinne einen sprachlichen Rahmen zur Festlegung von
Terminologien zur Verfügung. Ausgehend von atomaren Konzepten, dh. einstelligen Prädikaten, erlauben sie in einem logischen
Rahmen, komplexere Konzepte zu definieren und Beziehungen zwischen Konzepten
festzulegen. Dabei wird jedes komplexe Konzept durch ein terminologisches
Axiom (su.) definiert, wodurch das neue Konzept mittels einer
Konzeptbeschreibung (su.) in Beziehung zu schon bekannten Konzepten gesetzt
wird.
Wollen wir beispielsweise über Personen sprechen, so benötigen wir ua. die Konzepte Person, Erwachsener, Mann und Frau sowie die Eigenschaft Geschlecht mit den Ausprägungen männlich und weiblich.
Dabei sind freie Variablen wieder als allquantifiziert zu betrachten. Wie schon in früheren Formalismen (zB. bei den Konzeptrahmen im Abschnitt 2.5) sind die Konzepte Person und Erwachsen nicht vollständig definiert, sondern die Konklusionen der entsprechenden Implikationen definieren lediglich notwendige Bedingungen für die Konzeptzugehörigkeit. So legt die erste Implikation zwar fest, daß Personen entweder männlich oder weiblich sind, aber Personen können sehr wohl auch noch andere Eigenschaften haben. Auch beachte man die Verwendung des ``oder'' im Sinne von ``vel'', also nicht im Sinne eines ausschließlichen Oders.
Wollen wir des weiteren auch über Kinder, Eltern und Großeltern reden, dann benötigen wir zB. die Konzepte Elternteil, Mutter, Großelternteil und Großmutter sowie die Rolle Kind.
Solche Axiome, die wir im folgenden auch als terminologische Axiome bezeichnen wollen, lassen sich äquivalent wie folgt schreiben.
In der Literatur [NS90] wird diese Form noch weiter
abgekürzt.
Im ersten dieser Axiome wird eine Formelverkürzung ähnlich wie in
Abschnitt 2.3.4 verwendet; nämlich statt schreiben wir kürzer
, was noch weiter
zu
verkürzt wird. Eine
ähnliche Verkürzung betrifft die auftretenden Quantoren.
Formal definiert ist jedes terminologische
Axiom entweder von der Form oder von der Form
, wobei
ein Konzept und
eine Konzeptbeschreibung ist.
Ein Konzept ist ein einstelliges
Prädikatszeichen (wie zB. Person). Bevor wir den Begriff
Konzeptbeschreibung formal einführen, wollen wir zuerst Eigenschaften, deren
Werte sowie Rollen in terminologischen Logiken definieren. Eine
Eigenschaft ist ein einstelliges Funktionszeichen
(wie zB. geschlecht). Ein Wert ist eine
Konstante (wie zB. weiblich). Die Interpretation einer Eigenschaft
wird einem Individuum einen Wert zuordnen. Eine
Rolle ist ein einstelliges Funktionszeichen (wie zB.
kind). Die Interpretation einer Rolle wird jedem Individuum eine
Menge von Individuen zuordnen, von denen zusätzlich eine gewisse Eigenschaft
gefordert ist. Eine
Konzeptbeschreibung
ist induktiv wie folgt definiert.
Eine Terminologie ist eine Konjunktion von terminologischen Axiomen, wobei jedes Konzept höchstens einmal auf der linken Seite eines Konjunkts (dh. eines der terminologischen Axiome) vorkommt. Wir wollen in diesem Abschnitt nur azyklische Terminologien betrachten, dh. solche Terminologien, in denen kein Konzept rekursiv von sich selbst abhängt. Jedoch lassen sich die meisten hier zusammengestellten Aussagen auf zyklische Terminologien erweitern [Neb90a, Neb91, Baa90].
Um einer Terminologie eine Bedeutung zuordnen zu können, müssen wir --
wie bei jeder logischen Theorie -- eine Interpretation ,
bestehend aus einer nichtleeren Menge
, dem
Interpretationsbereich, und einer
Abbildung
angeben. Interpretationen sind
aus dem Bereich der mathematischen Logik bestens bekannt, und wir würden an
dieser Stelle nicht näher darauf eingehen, wenn nicht die besondere
syntaktische Struktur einer Terminologie eine spezielle, besonders
anschauliche Darstellung einer Interpretation ermöglichen würde.
Eine Interpretation ordnet jeder Formel einen Wahrheitswert zu.
Wollen wir demnach ein Konzept unter einer Interpretation
auswerten, so interessieren wir uns für
den Wert von
, wobei
ein beliebiges Element aus dem
Interpretationsbereich
ist. Offensichtlich ist die dabei
verwendete Abbildung
bezüglich des Konzeptes
eindeutig durch Angabe
der Menge
definiert, wenn wir voraussetzen, daß
gilt,
wenn
. Offensichtlich ist ein Konzept
genau
dann erfüllbar, wenn es eine Interpretation
mit
gibt. Würden wir beispielsweise das
terminologische Axiom
definieren, dann ist das Konzept Kinderloses_Elternteil nicht
erfüllbar, da Elternteil nach Definition stets eine Rolle
kind besitzt, während dies gerade
ausschließt.
Die hier verwendete Darstellung der Interpretationsabbildung läßt sich
unmittelbar auf Konzeptbeschreibungen erweitern. Dann müssen wir jedoch
zuerst die Interpretation von Eigenschaften, deren Werte sowie von Rollen
festlegen. Eine Eigenschaft wird als partielle Funktion über
interpretiert, die einem Element aus ihrem Definitionsbereich als
Funktionswert ein Element aus
zuordnet. Ein Wert wird als
Element von
interpretiert. Wenn nun
eine Eigenschaft
und
ein Wert ist, dann gilt
Wenn und
Konzeptbeschreibungen sind,
dann erhalten wir
Eine Rolle wird als totale Funktion interpretiert, die Elemente aus Teilmengen von
zuordnet. Die Elemente der Teilmenge sind
die möglichen Füllsel im Sinne von Konzeptrahmen
(siehe Abschnitt 2.5). Wenn
eine Konzeptbeschreibung und
eine Rolle ist, dann erhalten wir
Mit Hilfe der soeben eingeführten Darstellung von Interpretationen für
Konzepte und Konzeptbeschreibungen lassen sich nun die Erfüllbarkeit eines
terminologischen Axioms und die Modelleigenschaft einer Interpretation auf die
Gleichheit bzw. Teilmengenbeziehung zweier Teilmengen des
Interpretationsbereiches zurückführen. Seien und
Konzeptbeschreibungen. Eine Interpretation
erfüllt
eine Formel
der Form
bzw.
(in Zeichen
) genau dann, wenn
bzw.
. Eine Interpretation
ist ein Modell einer
Terminologie
genau dann, wenn
alle Axiome von
erfüllt.
Bevor wir uns der Frage zuwenden, welche Art von Aufgaben sich mit Hilfe einer
Terminologie besonders gut lösen lassen, wollen wir noch die beiden
syntaktischen Konstrukte (engl. top) und
(engl.
bottom) einführen.
ist ein Abkürzung für eine Formel
der Form
und somit erhalten wir
für jede Interpretation
.
Demgegenüber ist
eine Abkürzung für
, und es gilt
.
Als erstes interessieren wir uns für die logischen Konsequenzen einer
Terminologie. Dabei betrachten wir wie eben Formeln der Form und
, wobei
und
Konzeptbeschreibungen sind. Eine Formel
folgt logisch aus
einer Terminologie
(in Zeichen
) genau dann, wenn jedes Modell für
auch
erfüllt. So folgt beispielsweise die Formel
aus der zu Beginn des Abschnitts gegebenen Terminologie.
Mit Hilfe des logischen Folgerungsbegriffs läßt sich nun die von einer
Terminologie bestimmte
Subsumtionsrelation
als
definieren. Offensichtlich ist die Relation auf der Menge
der durch
definierten Konzeptbeschreibungen reflexiv und
transitiv. Die Relation
definiert durch
charakterisiert die Gleichheit zweier Konzeptbeschreibungen. Man beachte, daß
auf dem Quotienten von
bzgl.
nicht
nur reflexiv und transitiv, sondern auch antisymmetrisch ist, dh.
ist eine partielle Ordnung.
Terminologische Repräsentationssysteme wie KL-ONE unterstützen die
Berechnung der durch eine Terminologie definierten Taxonomie der Konzepte
(siehe Abschnitt 2.6.3), dh. sie berechnen eine Klassifikation. Eine
Klassifikation ist bestimmt durch eine minimale
Relation , so daß
die reflexive und
transitive Hülle von
ist. Mit anderen Worten,
ist die Basis der Subsumtionsrelation auf dem Quotient
von
bzgl.
. Da die Basis einer endlichen
partiellen Ordnung immer eindeutig bestimmbar ist, gibt es zu jeder
Terminologie eine eindeutige Klassifikation der Konzepte. Für das
Eingangsbeispiel ist ein Teil dieser Taxonomie in Abbildung 2.25
dargestellt.
Abbildung 2.25: Ein Teil der Taxonomie der Konzepte im
Personenbeispiel.
Ist eine solche Taxonomie einmal erstellt, dann läßt sich die
Subsumtionsbeziehung zweier Konzepte unmittelbar ablesen. Auf der anderen
Seite wird die Subsumtionsrelation benötigt, um die durch eine Terminologie
definierte Taxonomie zu generieren. Daß die Berechnung der
Subsumtionsrelation durchaus aufwendig sein kann, vermittelt schon das
Beispiel in Abbildung 2.25. Die in der Abbildung gezeigte Beziehung zwischen
und
ist in der Terminologie für dieses Beispiel nicht explizit angegeben,
sondern muß durch einen Vergleich der Füllsel für die Rolle
berechnet werden. Die Relation
ist zwar
für azyklische Terminologien entscheidbar [NS90], aber
co-NP-vollständig [Neb90b].
Wir haben eingangs erwähnt, daß ein wichtiger Aspekt der
terminologischen Systeme die Trennung der Terminologie von der eigentlichen
Weltbeschreibung ist. Wir wollen nun noch darstellen, wie mittels einer
gegebenen Terminologie eine Menge von Objekten mit ihren Beziehungen
beschrieben werden kann. Dazu müssen wir den bisher aufgezeigten Formalismus
erweitern. Wir erlauben nun zusätzlich die Angabe von sogenannten
Weltaxiomen der Form ,
und
, wobei
und
Konstanten,
eine
Konzeptbeschreibung,
eine Eigenschaft und
eine Rolle sind.
Eine
Weltbeschreibung
ist eine Menge von Weltaxiomen. In ihr wird ein Welt unter Zuhilfenahme der in
der Terminologie festgelegten Begriffe modelliert.
Unter Verwendung der oben gegebenen Repräsentation von Interpretationen
läßt sich nun die Erfüllbarkeit eines Weltaxioms
durch eine
Interpretation
(in Zeichen
) wie
folgt definieren.
Wie vorher ist eine Interpretation dann ein Modell einer
Weltbeschreibung
bzw. ein Modell einer Weltbeschreibung
und einer
Terminologie
genau dann, wenn
alle Axiome in
bzw. alle Axiome in
erfüllt. Analog ist natürlich auch
der Begriff der logischen Konsequenz aus
bzw.
definiert. Des weiteren wollen wir eine Konstante
als eine
Instanz des Konzeptes
bzgl.
genau dann bezeichnen, wenn
gilt.
Natürlich ist die Frage, ob ein Individuum eine Instanz eines bestimmten
Konzeptes ist, nur dann interessant, wenn die Terminologie zusammen
mit der Weltbeschreibung
konsistent bzw. erfüllbar ist,
dh. wenn es mindestens ein Modell für
gibt. Sonst kann --
den Gesetzen der Logik folgend -- alles abgeleitet werden. Ein Test, mit dem
die Konsistenz von
entschieden werden kann, ist auch deshalb
besonders wichtig, da die Frage, ob
gilt,
gleichbedeutend zu der Frage nach der Inkonsistenz bzw. Unerfüllbarkeit von
ist.
Wie bereits gesagt, können wir mit Hilfe des so erweiterten Formalismus jetzt Objekte und Beziehungen mittels einer Weltbeschreibung angeben und dabei natürlich alle in einer Terminologie festgelegten Konzepte und Beziehungen benutzen. So benutzen wir die Personenterminologie vom Beginn dieses Abschnitts, um eine bestimmte Familie mittels der folgenden Weltbeschreibung zu repräsentieren.
Aus der Terminologie folgt unmittelbar, daß eine
Großmutter und
eine Person ist.
Man beachte, daß terminologische Repräsentationssysteme nicht von der Annahme ausgehen, daß eine gegebene Terminologie und Weltbeschreibung vollständig sind (engl. closed world assumption). Betrachten wir dazu noch einmal das Familienbeispiel und erweitern die Weltbeschreibung um die folgenden Axiome.
Obwohl Anna jetzt nur männliche Kinder hat, wird das System nicht folgern, daß Anna keine weiblichen Kinder hat.
Terminologische Repräsentationssysteme sind im allgemeinen auch in der Lage,
für eine vorgegebene Konstante eine Menge von Konzepten
anzugeben, so daß
eine Instanz jedes Konzepts in
und
sowohl vollständig als auch minimal im
nachfolgenden Sinne ist.
wird als die Menge der spezifischsten
Konzepte, die
als Instanz haben, bezeichnet. Ist die
Menge
einmal berechnet, dann lassen sich alle Konzepte, von
denen
eine Instanz ist, unmittelbar mittels der durch
definierten Taxonomie bestimmen.
Auch zur Berechnung der Menge für ein gegebenes
spielen die Subsumtionsrelation
und der Konsistenztest für
die zentralen Rolle. Überhaupt sind die Berechnung der
Subsumtionsrelation und der Konsistenztest die zentralen Operationen in einem
terminologischen Wissensrepräsentationssystem. Dies wird auch dadurch
deutlich, daß sich alle wesentlichen Beziehungen auf Subsumtion oder
Konsistenz zurückführen lassen. Dies gilt beispielsweise für die
Äquivalenz von Konzeptbeschreibungen (
) und die Frage des leeren Durchschnitts zweier Konzeptbeschreibungen
(
), die sich beide auf die Subsumtion
reduzieren lassen, oder -- wie oben schon erwähnt -- auf die Frage, ob
eine Individuum
Instanz eines bestimmten Konzeptes
ist (
, das sich auf den Konsistenztest reduzieren läßt.
Wir wollen an dieser Stelle jedoch keine Subsumtionsalgorithmen und
Konsistenztests angeben, sondern verweisen dazu auf die entsprechende
Literatur [LB87, Neb90a, DLNN91]. Jedoch sei noch einmal daran
erinnert, daß Subsumtion in terminologischen Logiken entscheidbar und
co-NP-vollständig ist. Allerdings gibt es eingeschränkte Terminologien,
für die polynomielle Subsumtionsalgorithmen existieren
[BL84, DLNN91]. Ein hervorragender Überblick über terminologische
Wissensrepräsentationsformalismen und ihre Eigenschaften findet sich
in [Neb90a]. [BBH+92] ist eine sehr gute deutsche Einführung in
terminologische Logiken. Die formalen Bezüge terminologischer Formalismen
mit anderen Formalismen sind in [NS91] ausführlich behandelt.
Zum Ende dieses Abschnitts sei noch darauf hingewiesen, daß existierende terminologische Repräsentationssysteme im allgemeinen ein reichhaltigeres Repertoire an Konzeptbeschreibungsmöglichkeiten anbieten. So wird neben existentieller und universeller Quantifizierung häufig auch numerische Quantifizierung angeboten. Beispielsweise läßt sich dann die Beschränkung ``höchstens zwei Kinder'' angeben. Jedoch ist dies keine substantielle Erweiterung der zugrunde liegenden Logik. Das Gleiche gilt für die Möglichkeit, komplexere Rollen anzugeben. ZB. kann erlaubt sein, eine Rolle als Beschränkung einer schon bekannten Rolle zu definieren, oder es können Bedingungen für die Wertemengen verschiedener Rollen definiert werden.
Insgesamt haben wir aber auch in diesem Abschnitt wieder die Erfahrung gemacht, daß ein bekannter Wissensrepräsentationsformalismus, in diesem Falle die terminologischen Systeme, in natürlicher Weise als Teilsystem der üblichen Logik aufgefaßt werden kann. Der wichtige Beitrag dieser Systeme besteht demnach in der Identifikation dieser Teilklasse von Logikformeln als einem für die Praxis besonders wichtigen Spezialfall sowie in der speziellen Behandlung der Subsumtionsrelation und des Konsistenztests. Dabei wurde die Rolle der Logik ursprünglich als Hilfsmittel bei der Definition der Semantik terminologischer Systeme angesehen, wobei sich viele der eingesetzten Algorithmen zwar als korrekt, aber als nicht vollständig erwiesen. Die Verwendung der Logik führte nun nicht nur zu korrekten und vollständigen Algorithmen, sondern eine geschickte Implementierung des gesamten Kalküls zeigt auch ein Laufzeitverhalten, das den besten ``konventionellen'' terminologischen Systemen entspricht [BFH+92].
Christoph Quix, Thomas List, René Soiron