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2.3.4 Sprache und Logik

Die Prädikatenlogik stellt einen sprachlichen Rahmen zur Verfügung, der von sich aus nicht zwingend vorschreibt, wie eine natürlichsprachliche Aussage darin dargestellt werden soll. Es ist daher von Vorteil, durch eine Reihe von Beispielen darin einige Übung zu erlangen. Aus diesem Grunde geben wir in der Tabelle eine Reihe solcher Sätze samt ihrer prädikatenlogischen Darstellungen an.

Natürlichsprachlicher Satz Prädikatenlogische Formel
John, Jim oder Joe lieben Mimi.
Die Farbe seines Wagens ist rot oder blau.
Jim glaubt, daß Mimi glücklich ist.
Jim glaubt, daß Mimi glücklich ist, und sie ist es.
Jim glaubt, daß Mimi glücklich ist, aber sie ist es nicht.
Jim glaubt, daß Mimi nicht glücklich ist, aber sie ist es.
Jeder liebt Mimi.
Kinder lieben Süßigkeiten.
Hunde jagen manche Katzen.
Mimi bekommt ein Stipendium, vorausgesetzt, sie schafft alle ihre Examina.
Jims Auto ist rot.
Jim hat ein rotes Auto.
Die Bayern unter den Deutschen lieben Bier.
Theos einzige Tugend ist seine Ehrlichkeit.
Napoleon hatte alle Eigenschaften eines großen Generals.
Der Mensch ist das einzig rationale Tier.
Es ist eine Tugend, seine Nachbarn zu lieben.
ist unter , wenn über ist.
Tabelle 2.1: Logische Formeln zu natürlichsprachlichen Sätzen

Selbstverständlich sind solche Zuordnungen nicht eindeutig. Ja, es ist nicht einmal klar, ob ein bestimmtes Konzept als Objekt, Funktion oder als Prädikat repräsentiert werden sollte. Die Liste illustriert dies durch die verschiedenartigen Konzeptualisierungen des Attributs ``Farbe'' und seines Wertes ``rot''. Hierbei wurde ``Farbe'' einmal als Funktionszeichen repräsentiert. Genausogut hätten wir statt auch die Konzeptualisierung wählen können, in der Farbe als Prädikatszeichen repräsentiert ist. Schließlich gäbe es auch noch die Möglichkeit, Farbe als Objekt in Eigenschaft(w,farbe,r) aufzufassen. Diese letztere Möglichkeit ist als generelle Alternative der Form Eigenschaft(Objekt,Attribut,Wert) immer gegeben. Auch der Wert ``rot'' kommt in der Liste in zwei verschiedenen Varianten vor. Welche der Alternativen im Einzelfall bevorzugt wird, hängt von den Operationen ab, die auf dem so dargestellten Wissen ausgeführt werden sollen. Die Entscheidung hierüber ist oft keineswegs einfach.

Die natürliche Sprache ist so kompakt und vielgestaltig, daß umständliche Beschreibungen meist vermieden werden können, wie die ersten beiden Beispiele zeigen. Dies kann in der Prädikatenlogik natürlich leicht nachvollzogen werden. So lassen sich Ausdrücke der Art bzw. in ihrer Bedeutung mittels der Standardnotation eindeutig definieren, in diesem Fall jeweils als die in der Tabelle angegebenen Formel. Dies läßt sich dann natürlich auch in der gaG-Notation nachvollziehen. Formal erlauben wir also in einer der Argumentstellen des Auftretens einer atomaren Formel das Vorkommen eines verallgemeinerten Terms der wie folgt beschriebenen Gestalt. Er bildet formal eine aussagenlogische Formel, dessen Atome jedoch Terme sind. Die Bedeutung einer solchen Formel ist definiert durch eine aussagenlogische Formel der gleichen Struktur, nur enthält sie als Atome jene atomare Formel mit regulären Termen, wie an den gegebenen Beispielen illustriert. Verallgemeinerungen hiervon sind denkbar, zB. auf den Fall des Auftretens von verallgemeinerten Termen an mehr als einer Argumentstelle; sie mögen jedoch nicht praktikabel sein.

Wir haben in diesem Unterabschnitt die Sprache der Prädikatenlogik als Formalismus zur Präzisierung der natürlichen Sprache erläutert und an Beispielen illustriert. Anstelle der natürlichen Sprache hätten wir auch künstlichere Sprachen mit dem gleichen Zweck ins Auge fassen können, allen voran die Sprache der Mathematik. Tatsächlich haben sich die Logiker seit Frege zunächst stärker darauf konzentriert, die Mathematik in der Logik zu formalisieren, nicht zuletzt weil sich dies als einfacher als bei der natürlichen Sprache erwies. Diese Aufgabe kann für die Zwecke dieses Buches als vollständig gelöst angesehen werden, dh. jeder mathematische Formalismus kann zugleich als spezieller logischer Formalismus betrachtet werden. Dies heißt sodann, daß wir die Sprache der Mathematik als Formalismus zur Repräsentation von Wissen unter die der Logik subsumieren können und nicht eigens behandeln müssen.



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Christoph Quix, Thomas List, René Soiron
30. September 1996