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2.6.3 Eigenschaften der skeptischen Lösung

Mit einer Lösung des Vererbungsproblems, wie wir sie im letzten Abschnitt vorgestellt haben, lassen sich die erlaubten Pfade eines Netzes gegebenenfalls vorweg bestimmen, so daß Anfragen dann einfach durch Ablesen beantwortbar sind. Insofern paßt diese Technik durchaus in den Rahmen dieses Kapitels. Andererseits haben wir schon darauf hingewiesen, daß wir hier ein Inferenzproblem zu lösen hatten und insofern Fragen des nächsten Kapitels bereits vorweggenommen haben. Wenn wir nun einige Eigenschaften unserer gefundenen Lösung nennen, so stoßen wir damit zum ersten Male auf Begriffe, die uns im nächsten Kapitel noch mehrfach beschäftigen werden.

Einer dieser Begriffe ist die Nichtmonotonie. Die klassische Logik hat die folgende Eigenschaft der Monotonie.

Mit anderen Worten, wenn eine Aussage aus einer Axiomenmenge logisch folgt, dann auch aus jeder Obermenge. Durch Hinzufügen von neuen Axiomen müssen vorher abgeleitete Aussagen also nicht mehr überprüft werden, da sie weiterhin gültig sind. Alltagsschließen ist dagegen in der Regel nichtmonoton. Erfährt man neues Wissen, so müssen oft alte Schlüsse revidiert werden.

Auch die im letzten Unterabschnitt präsentierte Lösung des Vererbungsproblems ist nichtmonoton, wie das in Abbildung 2.19 gezeigte Beispiel demonstriert. Als Interpretation denke man wieder an die der Nixon Raute. Das linke Netz erlaubt den Pfad , stützt also die Aussage , dh. Nixon ist Pazifist. Das rechte Netz unterscheidet sich davon durch eine zusätzliche Kante. Diese neutralisiert den genannten Pfad, so daß nun Nixon kein Pazifist mehr ist. Die Hinzunahme eines weiteren Faktums hat also eine vorher ableitbare Aussage hinfällig gemacht, womit die Nichtmonotonie gezeigt ist. Ein weiteres Beispiel hierzu sind die Netze in Abbildung 2.13 und in Abbildung 2.17, das ebenfalls eine Erweiterung von darstellt. Während aber die Aussage stützt, ist dies für nicht mehr der Fall.


Abbildung 2.19:

Von einem Kalkül wie dem hier besprochenen verlangt man, daß er konsistent ist. Der folgende Satz garantiert dies für den hier eingeführten Kalkül.

Ein Netz stützt nicht gleichzeitig zwei sich widersprechende Aussagen und .
Den Beweis findet man in [HTT90].

Eine weitere Eigenschaft, die uns im folgenden Kapitel wieder begegnen wird, ist die der Stabilität (in [Mak89] auch Kumulativität genannt). Grob gesagt ist ein Kalkül stabil, wenn sein Verhalten sich bei der Hinzufügung von redundanter Information nicht ändert. Für unseren Kalkül läßt sich das folgende Stabilitätstheorem beweisen.gif

Wenn ein Netz eine atomare Aussage stützt, dann gilt für jede Aussage : stützt genau dann, wenn allein stützt.
Für den Beweis sei wiederum auf [HTT90] verwiesen. Dort werden auch Beispiele von Kalkülen gezeigt, die in diesem Sinne nicht stabil sind. Der hier vorgeführte Kalkül ist jedoch auch nicht stabil in bezug auf generische Aussagen, dh. das Theorem gilt tatsächlich nur für atomare Aussagen. Die Abbildung 2.20 zeigt hierzu ein Gegenbeispiel. Daß dies nicht unbedingt als Mangel aufgefaßt werden muß, demonstriert die folgende Interpretation hierzu [San86]: . Aus diesem Netz ergäbe sich nämlich die auch intuitiv richtige Aussage, daß Moby (als Wal) kein Landbewohner ist. Dieses Netz sagt jedoch nichts darüber aus, ob er Luftatmer ist oder nicht. Nähme man aber die abgeleitete generische Aussage im Sinne der Stabilität ins Netz mit auf, so ergäbe sich die (unnatürliche) Aussage, daß Moby der Wal definitiv Luftatmer ist. Für Details und weitere Beispiele sei auf [HTT90] verwiesen.


Abbildung 2.20:

Die hier vorgeführte skeptische Lösung des Vererbungsproblems produziert immer eindeutige Lösungen, die mit unserer Intuition übereinstimmen. Das Gleiche läßt sich auch von weiteren interessanten Ansätzen wie den in [Tou86, Eth87, Ste92] präsentierten sagen, nicht jedoch für die in [RG77, Fah79] dargestellten Ansätze. In jedem Fall führen all diese Alternativen in Einzelfällen zu Lösungen, die sich von den durch den hier gezeigten Kalkül produzierten Lösungen unterscheiden. Zum Beispiel wird meist die Nixon Raute in anderer Weise gelöst. Hierzu sowie für eine algorithmische Lösung, sei nochmals auf [HTT90] verwiesen.

Taxonomien sind spezielle Vererbungsnetze, in denen nur Klassen (also keine Objekte) zugelassen und keine Widersprüche erlaubt sind. Sie lassen sich auch als (aus der Mathematik vertraute) Verbände auffassen. In Verbänden gibt es bekanntlich die Operationen ``größte untere Schranke'' (GUS), ``kleinste obere Schranke'' (KOS) und relatives Komplement (``aber nicht''). In [AKBLN89] wurde für diese Operationen eine außerordentlich effiziente Implementierung angegeben, die auf einer speziellen Kodierungsmethode beruht. Sie läßt sich natürlich auch in ein allgemeineres logisches System für diesen Spezialfall einbetten.

Taxonomien lassen sich auch als ein Netz von Begriffen auffassen, indem jeder Begriff als eine ihn charakterisierende Klasse interpretiert wird. Eine eingehende Untersuchung von solchen Begriffsverbänden findet sich in [Wil87], die wir in Abschnitt 2.11.3 (siehe auch Abschnitt 4.3.4) kurz erwähnen werden. Auch auf den Begriff der Taxonomie werden wir im Abschnitt 2.7 nochmals zu sprechen kommen. All solche Ansätze über Verbände enthalten von sich aus natürlich noch nicht den hier vorgestellten Vererbungsmechanismus, der auch mit Inkonsistenzen umzugehen vermag. Vielmehr stellen sie lediglich eine Repräsentation dar, die in diesem Spezialfall als Alternative zur logischen Darstellung fungiert. Tatsächlich ist auch innerhalb eines logischen Formalismus dieser Spezialfall als Sortenlogik untersucht worden, worauf wir in Abschnitt 2.11.5 kurz zu sprechen kommen werden.



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Christoph Quix, Thomas List, René Soiron
30. September 1996