gif gif up gif contents index
Nächste Seite: 3.10.1 Klauselverwaltungssysteme Vorige Seite: 3.9.3 Widerspruchstolerante Systeme

3.10 Begründungsverwaltungssysteme

Alle Ansätze zum nichtmonotonen Schließen, die wir in diesem Kapitel behandelt haben, gehen von der Vorstellung aus, alles zur Lösung eines gegebenen Problems nötige Wissen sei dem System bekannt. Beim alltäglichen Schließen ist die Situation jedoch oft so, daß zum Beispiel erst eine sich ergebende Inkonsistenz dazu führt, daß einer der Beteiligten weiteres Wissen ``auspackt'', das zur Vermeidung der Inkonsistenz beiträgt, indem es zum Beispiel einer von zwei sich widersprechenden Regeln eine höhere Priorität verleiht.

Dieser beim nichtmonotonen Schließen zusätzlich auftretende dynamische Aspekt steht im Mittelpunkt der sogenannten Begründungsverwaltungssysteme, BVS (engl. reason maintenance systems, RMS). Von ihnen wird nicht nur die Fähigkeit der Ableitung von Folgerungen aus dem vorliegenden Wissen erwartet, sondern sie sollen darüber hinaus in effizienter Weise die Revision des Wissens ermöglichen. Betrachten wir zur Illustration wieder unser vertrautes Beispiel in der Fassung des Abschnitts 3.3, dh. in Kurzfassung die folgende Formel.

Diese Formel bezeichnen wir wieder mit . Wie üblich stellen wir die Frage, ob Larissa Eiscreme liebt. Ein Versuch, die Frage mit einem klassischen Deduktionsverfahren zu beantworten, stellt sich im Falle der Konnektionsmethode aus Abschnitt 2.3.3 wie folgt dar.

Der Versuch gelingt nicht vollständig, da ein Teilziel, , also nach Substitution , das in der Abbildung durch einen Pfeil markiert ist, nicht gelöst werden kann. Ein System zur Verarbeitung derartiger Situationen kann nun in zweifacher Weise eingerichtet werden. Es kann einerseits die Meldung ausgeben, daß die Anfrage aufgrund des formalisierten Wissens nicht beweisbar ist. Andererseits liegen dem System auch Informationen darüber vor, wie ein Beweis durch Hinzunahme weiterer Annahmen doch vervollständigt werden könnte, worauf es den Benutzer hinweisen oder was es gleich eigenmächtig realisieren könnte. In unserem Beispiel würde es sich um die Hinzunahme der Annahme gif als zusätzlichem Faktum handeln, die die Anfrage stützt.

Der Übergang von mit zu mit wird als Abduktion bezeichnet, wobei in unserem Beispiel die gegebene Anfrage und das hinzugenommene Faktum darstellt. Aufgrund des Deduktionstheorems [Bib87a] läßt sich die Beziehung äquivalent auch in der Form einsetzen, von der wir weiter unten ausgehen werden. Die positive Beantwortung der Anfrage gelingt also nach Durchführung eines solchen Abduktionsschlusses. Da ein Abduktionsschluß jedoch nicht auf sicherem Wissen beruht, kann weiteres Wissen bzw. weitere deduktive Einsicht den Schluß als voreilig entlarven. Dann stellt sich die Aufgabe, alle Folgerungen rückgängig zu machen, die von ihm abhängen, alle anderen jedoch beizubehalten. Begründungsverwaltungssysteme lösen genau die so gestellte Aufgabe. In unserem Beispiel könnte das so geschehen, daß wir die Anfrage und das Literal in der obigen Matrix mit der Annahme als Begründung markieren.

In analoger Weise könnten wir nun auch noch zu beantworten versuchen, was in der folgenden Matrix gezeigt ist.

Dies führt in analoger Weise zu der Annahme und deren Verwendung als Markierung. Die beiden Annahmen führen damit zu einer widersprüchlichen Lösung, so daß der Benutzer (oder ein anderer Systemteil) aufgerufen ist zu entscheiden, welche der beiden Annahmen er als die richtigere ansieht.





gif gif up gif contents index

Christoph Quix, Thomas List, René Soiron
30. September 1996