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3.9.3 Widerspruchstolerante Systeme

Die klassische Logik hat die Eigenschaft, daß beim Vorliegen einer widersprüchlichen Wissensbank jede beliebige Aussage logisch ableitbar ist (``ex falso quodlibet''). Sie toleriert in diesem Sinne keinerlei Widersprüche. Diese Eigenschaft wird als sehr unnatürlich betrachtet, da wir Menschen offenbar mit widersprüchlichen Ansichten uns durchaus erfolgreich durchs Leben bringen können.

Der Grund für diese Fähigkeit des widerspruchstoleranten Schließens liegt wohl darin, daß der Mensch beim Schließen nur auf für die Problemstellung relevantes Wissen zurückgreift. Widersprüchliche Ansichten haben daher im menschlichen Schließen nur sehr lokale Auswirkungen. Es hat daher eine Reihe von Versuchen gegeben, diese Abkapselung von Widersprüchen in der Wissensbank auch in formalen Systemen zu realisieren. In [GH91] findet sich hierzu eine ausführliche Diskussion.

Einer der erfolgreichsten Ansätze, die aus diesen Überlegungen resultierten, sind die sogenannten Relevanzlogiken. Ihr Ausgangspunkt sind die folgenden Eigenschaften der klassischen Logik.

Beschränken wir uns auf die erste dieser Eigenschaften, so besagt diese, daß aus jeder beliebigen Aussage folge, sofern man nur annehme, auch wenn mit überhaupt nichts zu tun hat. Das Ziel der Relevanzlogiken ist, implikative Beziehungen auf solche Voraussetzungen zu beschränken, die für die Folgerung relevant sind.

Man geht dabei einen axiomatischen Weg und ersetzt in einer entsprechenden axiomatischen Charakterisierung der Eigenschaften der Implikation diese klassischen Eigenschaften durch alternative Eigenschaften. Die resultierenden Logiken erweisen sich als widerspruchstolerant oder parakonsistent , wie dies in diesem Zusammenhang genannt wird. Sie erlauben auch die Realisierung nichtmonotonen Schließens. Aus Platzgründen können wir auf die Einzelheiten hier leider im Detail nicht eingehen, sondern verweisen hierzu den Leser auf die einschlägige Literatur [AB75, Dun84, RB80]. Verwandte, aber alternative Ansätze zum widerspruchstoleranten Schließen finden sich in [CFM91, Wag91].



Christoph Quix, Thomas List, René Soiron
30. September 1996