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1.3 Das Arbeitsparadigma der Wissensrepräsentation

Unsere Zielsetzung macht nur einen Sinn, wenn die Einbringung von Wissen in ein abgeschlossenes formales System, wie es etwa durch die Abbildung 1.2 illustriert wird, wenigstens zu einem gewissen Grad intelligentes Verhalten grundsätzlich bewirken kann. Da der Mensch das einzige derzeit verfügbare Modell eines intelligenten Wesens ist, stellt sich diese Frage nach einem Verständnis von Wissen und seiner Repräsentation in gleicher Weise hinsichtlich des Menschen.

In der Tat gehen wir von der Arbeitshypothese aus, daß der Mensch bezüglich seiner intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten als semantische Maschine [Hau81] aufgefaßt werden kann. Eine solche Maschine ist nicht durch ein bloßes Eingabe-/ Ausgabeverhalten charakterisiert, wie wir es von allen gebräuchlichen Maschinen kennen. Vielmehr ist die Eingabe quasi einer Filterung in der Form einer semantischen Interpretation -- oder nennen wir es einfach ``Verständnis'' -- unterworfen, bevor sie im Gefolge möglicherweise zu einer Ausgabe führt.

Es sei betont, daß wir von einer Arbeitshypothese sprechen. Eine Aussage der Form ``Der Mensch ist eine (semantische) Maschine'' ist von unserer Hypothese strikt zu unterscheiden und soll hier auch keineswegs gemacht werden. Eine auf mechanische Gebilde übertragene Variante dieser Hypothese ist in [Smi85] die Wissensrepräsentationshypothese genannt und wie folgt zusammengefaßt worden.

Jedes sich auf mechanische Weise intelligent verhaltende Gebilde besteht aus strukturellen Teilen, a) die für uns externe Beobachter in natürlicher Weise (dh. ohne das Erfordernis der Kenntnis des Verarbeitungsmechanismus) das Wissen beschreiben, das in dem Verhalten zum Ausdruck kommt, und b) das, unabhängig von solch externer semantischer Interpretation, eine zwar formale, aber kausale und essentielle Rolle bei der Erzeugung des Verhaltens spielt, in dem es sich manifestiert.

Systeme, die im Sinne dieser Hypothese entwickelt worden sind, tragen auch das Prädikat ``wissensbasiert''. Die in Abbildung 1.3 gezeigte Gegenüberstellung zweier kleiner PROLOG Programme soll die Intension des Begriffs näherungsweise veranschaulichen.


Abbildung 1.3: Ein mehr prozedurales und ein mehr wissensbasiertes Programm

Das durch die erste Zeile des ersten Programms implizit ausgedrückte Wissen, daß nämlich Schnee weiß ist, vermag ein externer Beobachter nur dann abzulesen, wenn er den Abarbeitungsmechanismus von PROLOG, dh. dessen prozedurale Interpretationkennt. Genaugenommen repräsentiert das Programm dieses Wissen gar nicht, da seine Bedeutung sich darauf beschränkt, auf ein Stichwort hin einen Satz auszudrucken. Somit ist die Bedingung (a) hier nicht (hinsichtlich der intendierten semantischen Interpretation) erfüllt. Im Gegensatz dazu kann wohl jedermann die entsprechende Zeile ( Farbe(Schnee,weiß)) im zweiten Programm verstehen, mag man sich auch über die kryptische Form der Darstellung wundern. Obwohl die beiden Programme in ihrem Verhalten äquivalent sind, erfüllt nur das zweite Programm die Bedingungen der Hypothese (in einer einigermaßen annehmbaren Weise).

Entscheidend ist also erstens das Vorliegen einer semantischen Interpretation der syntaktischen Gebilde, wie zB. einer Folge von Buchstaben, die das Wissen repräsentieren. Zweitens wird eine gewisse Übereinstimmung dieser semantischen Interpretation mit der des Menschen als notwendig erachtet. Drittens schließlich ist ein kausaler Zusammenhang dieser semantischen Interpretation mit der prozeduralen Interpretation erforderlich. Im Hintergrund dieser These steht eine logische Sicht, die uns in Abschnitt 3.1 zu einer Variante dieser Hypothese führen wird.



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Christoph Quix, Thomas List, René Soiron
30. September 1996