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1.2 Das Fernziel und der Stand der Wissensrepräsentation

Jedes wissenschaftliche Gebiet ist nicht nur durch das in ihm angesammelte Wissen charakterisiert, sondern auch von seinen Zielsetzungen geprägt. Das Fernziel des Gebiets der Wissensrepräsentation läßt sich vielleicht wie folgt beschreiben.

Zu einer gegebenen Problemstellung und einer verfügbaren Wissensquelle würde man sich von einer künftigen Theorie der Wissensrepräsentation erhoffen, daß sie einen dazu passenden Formalismus (bzw. Formalismen) bereitstellt, der die Akquisition des erforderlichen Wissens aus der genannten Quelle in einer Form ermöglicht, die dieses Wissen für den Menschen und für die Maschine verständlich repräsentiert und zur möglichst effizienten Problemlösung beiträgt. Damit ist implizit auch eine für die Problemlösungsmechanismen geeignete Architektur der Verarbeitungsmaschine gefordert. Unter Problemstellung verstehen wir dabei das gesamte Spektrum von einem speziellen Einzelproblem über spezielle Problemklassen (wie diagnostische Probleme) bis hin zur Klasse der Probleme jeglicher Art. Mit anderen Worten, im allgemeinsten Fall gipfelt unsere Hoffnung in der Bereitstellung einer superintelligenten Maschine, deren Grobstruktur in Abbildung 1.2 angedeutet ist.


Abbildung 1.2: Grobstruktur einer wissensverarbeitenden Maschine

Von solchen Träumen sind wir derzeit weit, weit entfernt. Wir beginnen vielleicht gerade erst in Grundzügen zu verstehen, was die entscheidenden Probleme in diesem Gebiet sind, deren Lösung uns dem genannten Fernziel näher bringen würde. Möglich ist daher bei dem Stand der Forschung lediglich ein Sammeln und Klassifizieren sowie zaghafte Versuche einer Abstraktion allgemeiner Prinzipien hieraus.

Eines der grundsätzlichen Probleme der Wissensrepräsentation liegt inhärent in der Bedingung, daß über Wissen immer nur in einer bestimmten Repräsentation kommuniziert werden kann. Da verschiedene Wissenschaftler mit verschiedenen solcher Repräsentationsformen aufwachsen, ergibt sich ein enormer Leerlauf durch redundante Doppelarbeit, die noch dadurch potenziert wird, daß Generationen dann damit beschäftigt sind, die Beziehungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Formalismen herauszuarbeiten, um oft frustriert festzustellen, daß die verschiedenen Ansätze nur das Gleiche in verschiedenem Gewand darstellen. Der Fortschritt ist daher marginal. Das Problem ist grundsätzlich wohl unlösbar, denn wer möchte sich schon anmaßen, einen Formalismus als den einzig brauchbaren zu bestimmen, geschweige denn, dies dann auch durchzusetzen. Vielmehr zeigt die Erfahrung, daß unterschiedliche Sichtweisen eben doch auch unterschiedliche Einsichten eröffnen. Wünschen könnte man sich jedoch einen kanonischen Referenzformalismus , in dem die Strukturen aller anderen Formalismen einheitlich erklärbar und damit vergleichbar sind.



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Christoph Quix, Thomas List, René Soiron
30. September 1996