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2.11.11 Analoge Repräsentation

Eine Darstellung eines Objektes (oder einer Szene) nennt man analog, wenn signifikante Eigenschaften, die auf das Objekt oder seine Teile zutreffen, in gleicher Weise auch auf das repräsentierte Objekt zutreffen. Wenn dies auch keine mathematisch exakte Definition ist, so weist sie doch auf die entscheidenden Merkmale von analogen Repräsentationen hin. Insbesondere erkennt man, daß analog immer ``analog in bezug auf eine gegebene Menge von Eigenschaften'' (nämlich die als signifikant eingestuften) bedeutet. Betrachten wir zum Beispiel als Objekt eine weiße Flagge aus Leinen mit einem blauen Quadrat, dessen Diagonale horizontal steht. Wenn wir die zuletzt genannte Eigenschaft zusammen mit der relativen geometrischen Form der Flagge als die einzig signifikanten Eigenschaften betrachten, dann ist zB. die folgende Darstellung der Flagge in diesem Sinne eine analoge Darstellung.

Man beachte, daß die Analogie sich nicht auf alle Eigenschaften bezieht; zB. geht der Stoff, die Farbe ua. verloren. Man beachte auch, daß wir hier von Eigenschaften innerhalb einer Welt sprechen, der sowohl die Flagge als auch die repräsentierte Form angehören. Wir kommen auf solche Gesichtspunkte im Abschnitt 5.3.1 noch ausführlicher zu sprechen. Beschreibt man diese Flagge in der Prädikatenlogik, so bleibt wenig Analogie mit dem Original übrig.

Für den Menschen sind analoge Darstellungen von unermeßlicher Bedeutung, weil offenbar der kognitive Apparat gerade hierauf spezialisiert ist. ZB. erkennen wir einen bekannten Menschen mit einem Blick auf einer Photographie wieder. Ein weiteres verbreitetes Beispiel sind Landkarten. Aus dieser Einsicht heraus wurden analoge Repräsentationen auch für die Wissensverarbeitung propagiert [Slo75], erspart sie doch viele Verarbeitungs- und Deduktionsprozesse. Fragt man etwa in dem obigen Beispiel, ob die Flaggenmitte im Quadrat liegt oder nicht, so ist bei der analogen Darstellung die Antwort unmittelbar ablesbar, während in einer logischen Darstellung erst eine Menge zusätzlichen Wissens mit in den Deduktionsprozess eingebracht werden müßte, um eine solche Antwort zu geben.

Solche Forderungen nach analogen Darstellungen haben jedoch erst durch die Realisierung von Rechnern mit Zigtausenden von Prozessoren (siehe Abschnitt 2.10) eine praktische Bedeutung erlangt, ist es doch jetzt in der Tat möglich, eine Flagge in der durch das Bild illustrierten Weise im Rechner zu realisieren, während jeder Monoprozessor dazu wohl kaum in der Lage sein dürfte. Da solche neuartigen Rechner noch nicht sehr verbreitet sind, wird die Frage der analogen Repräsentationen erst in naher Zukunft so recht in den Blickpunkt des Interesses rücken.

Noch anspruchsvoller ist die Forderung nach einer analogen Repräsentation bezüglich Eigenschaften in der Zeit. Man denke etwa an die Repräsentation von Meereswellen. Ein Film leistet eine derartige Repräsentation. Für die Lösung dieser Aufgabe mit heutigen Rechnern stehen wir aber noch vor riesigen Problemen.



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Christoph Quix, Thomas List, René Soiron
30. September 1996