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2.11.7 Modallogik

Während die Typenlogik die Prädikatenlogik erster Stufe dadurch erweitert, daß Objekte höherer Ordnung in dem zugrundeliegenden Universum (wie zum Beispiel Mengen von Objekten) mitbetrachtet werden, besteht die Modallogik [HC68] in einer Erweiterung der Prädikatenlogik um einen neuen Operator , dem gewisse logische Eigenschaften zugeschrieben werden. Auch diese Erweiterung hat in der Wissensrepräsentation mannigfache Anwendungen gefunden. Einer davon werden wir im nächsten Kapitel bei der Behandlung der autoepistemischen Logik (siehe Abschnitt 3.8) begegnen.

Formeln der Modallogik sind also wie die der Prädikatenlogik aufgebaut, nur ist als zusätzlicher einstelliger Operator beim Aufbau beteiligt. Die intendierte Bedeutung einer Formel der Gestalt variiert je nach Anwendung. Man liest sie zB. als ``notwendigerweise ''.

Zu gibt es einen dualen Operator , der sich in definitorischer Weise als einführen läßt, was dann als ``möglicherweise '' gelesen werden kann.

Die Semantik der Modallogik läßt sich mittels möglicher Welten charakterisieren [Kri59, Kri63]. Eine mögliche Welt ist eine Interpretation im Sinne der Prädikatenlogik, mittels derer den Formeln Wahrheitswerte zugewiesen werden. Eine Menge möglicher Welten hat im Vergleich zu einer Menge von Interpretationen jedoch eine zusätzliche Struktur, und zwar in Form von Beziehungen unter den Welten.

Man denke etwa an die uns umgebende Welt als eine solche mögliche Welt, die sich jedoch im Verlauf einer Minute in vieler Hinsicht ändert (zB. sind die Wolken ein Stück weitergezogen, das vorbeifahrende Auto ist inzwischen einen Kilometer entfernt, der Vogel sitzt in einem anderen Baum usw.). Wir könnten also im Verlauf von zehn Minuten zehn verschiedene mögliche Welten voneinander unterscheiden. Dabei besteht die Beziehung unter diesen zehn Welten darin, daß die zweite Welt aus der ersten , die dritte aus der zweiten usw. hervorgegangen bzw. erreichbar ist.

Die Beziehungen unter den möglichen Welten wird mathematisch als eine Relation , der Erreichbarkeitsrelation, formal repräsentiert. Im Beispiel ergäbe sich also für . Wenn wir bedenken, daß in diesem Beispiel ebenfalls aus (über ) hervorgegangen ist, so macht es hier Sinn, den transitiven Abschluß von zu bilden, so daß für gilt.

Formal ergibt sich die Semantik einer Modallogik nun als ein Tupel , genannt eine Kripkestruktur. ist die Menge der Welten, ist die sogenannte aktuelle Welt, ist eine Funktion, die jeder Welt eine Interpretation (im üblichen Sinne) zuordnet, und ist die besprochene Relation. Dann erhält den Wert wahr, wenn in allen aus erreichbaren Welten wahr ist, wie es die Abbildung 2.37


Abbildung 2.37: gilt in allen von der Welt aus erreichbaren Welten

(für den Fall einer transitiven Erreichbarkeitsrelation) illustriert. erhält den Wert wahr, wenn in mindestens einer erreichbaren Welt wahr ist, was die Abbildung 2.38


Abbildung 2.38: gilt in einer von der Welt aus erreichbaren Welt

(wieder für den Fall einer transitiven Erreichbarkeitsrelation) illustriert. Hierbei sprechen wir kurz von dem Wahrheitswert einer Formel in einer Welt , obwohl wir eigentlich den Wahrheitswert in der Interpretation meinen. Da letztere aber vermöge durch die Welt eindeutig bestimmt ist, erweist sich diese Sprechweise als gerechtfertigt. Eine Kripkestruktur heißt ein Kripkemodell für eine modallogische Formel , wenn sie in dieser Struktur den Wert wahr erhält.

Wie wir vorher gesehen haben, macht es Sinn, für bestimmte Eigenschaften, wie in dem genannten Beispiel die Transitivität, zu verlangen. Je nach den hierbei geforderten Eigenschaften ergeben sich dann verschiedene Modallogiken. Die Tabelle 2.2 zeigt einige der gebräuchlichsten Eigenschaften. Die Tabelle 2.3 listet die gebräuchlichsten Modallogiken zusammen mit den für ihre jeweilige Erreichbarkeitsrelation geforderten Eigenschaften. Diese Eigenschaften lassen sich auch syntaktisch mit Axiomen charakterisieren, die bei den entsprechenden Logiken zusätzlich gefordert werden. Tabelle 2.4 zeigt vier solcher Axiome, mit denen die in Tabelle 2.3 aufgeführten Modallogiken auf die in der letzten Spalte angegebenen Weise charakterisiert werden können. In jedem dieser Fälle tritt neben diesen zusätzlichen Axiomen noch die zusätzliche Schlußregel

So besteht etwa S4 aus den Axiomen und Schlußregeln der klassischen Prädikatenlogik, dieser zusätzlichen Regel und den zusätzlichen Axiomen A1, A2 und A3.

ist reflexiv
ist symmetrisch impliziert
ist transitiv und implizieren
ist euklidisch und implizieren oder
ist seriell zu jedem gibt es mit
Tabelle 2.2: Die gebräuchlichsten Eigenschaften der Erreichbarkeitsrelation

Name der Modallogik Eigenschaften von Axiome
K keine A2
T reflexiv A1, A2
S4 reflexiv, transitiv A1, A2, A3
S5 reflexiv, transitiv, symmetrisch A1, A2, A3, A4
Schwaches S4 transitiv A2, A3
Schwaches S5 transitiv, euklidisch A2, A3, A4
Tabelle 2.3: Modallogiken, ihre Eigenschaften und Axiome

A1 Notwendigkeit
A2 Distributivität
A3 Positive Introspektion
A4 Negative Introspektion
Tabelle 2.4: Axiome für

Die Modallogiken S4 und S5 spielen besonders bei der Formalisierung des Schließens über das Wissen und das schwache S4 und S5 bei der Formalisierung des Schließens über das Glauben eine wichtige Rolle (siehe Abschnitt 4.2.3). In beiden und anderen Fällen ist es zudem möglich, den modalen Operator als zweistelligen Operator aufzufassen, wobei die erste Stelle ein Term ist, der etwa einen Akteur bezeichnet, der etwas weiß oder glaubt. Anstelle von schreibt man dann auch oft . In diesem Fall muß auch die Erreichbarkeitsrelation dieses zusätzliche Argument berücksichtigen, so daß wir für jeden Akteur ein eigenes erhalten.

In der zuletzt beschriebenen Form spielt die Modallogik auch eine große Rolle als Formalismus für Beweise über Programme in der Informatik, genannt dynamische Logik. In dieser Anwendung steht für ein Programm und beschreibt die Relation, mit der Welten, dh. in diesem Fall Zustände einer abstrakten Maschine, mittels dem Programm in Beziehung gesetzt werden.

Für Modallogiken sind eine Reihe von Deduktionsmechanismen entwickelt worden. Wir nennen insbesondere den auf der Konnektionsmethode basierenden Ansatz [Wal90] sowie die Technik der Transformation in die klassische Prädikatenlogik [Ohl91].



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Christoph Quix, Thomas List, René Soiron
30. September 1996