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2.8.2 Weitere Sprachen

Wir haben KL-ONE deswegen einen so breiten Raum eingeräumt, weil die dort entwickelten Strukturen in vielen anderen Sprachen in variierter Form wieder auftreten. Das gilt insbesondere für die Sprache KRYPTON [BGL85], die eine direkte Fortentwicklung von KL-ONE darstellt. Im Sinne von KL-ONE ist der deskriptive Teil, hier TBox (die ``terminologische'' Box) genannt, wieder klar vom Aussagenteil, ABox, getrennt. Während der deskriptive Teil bei KRYPTON im wesentlichen von KL-ONE übernommen ist, wurde dem Aussagenteil nun wesentlich mehr Beachtung geschenkt. Insbesondere wurden den oben besprochenen Operationen der TBox ein ausgereifter Beweismechanismus zur Seite gestellt. Das in der TBox repräsentierte Wissen wird dabei in der ABox als Theorie im logischen Sinne verwandt, bezüglich derer in der ABox die deduktive Operation der Theorieresolution ausgeführt wird.

Wegen dieser Zweiteilung spricht man auch von einem hybriden System. Aus logischer Sicht ist die Zweiteilung ein Konzeptionsfehler, der auf dem Mißverständnis beruht, die Operationen der TBox, wie zB. die Vererbung, seien etwas grundsätzlich anderes und vererbungsmäßig effizienter verarbeitbar als diejenigen der ABox, also den logischen Deduktionen. Hierdurch entsteht eine unnötig aufwendige Schnittstelle, in der die in der TBox erarbeitete Optimierung wieder verbraucht wird. Die Lösung kann nach Meinung der Autoren nur in einer homogenen Integration aller Operationen innerhalb eines logischen Formalismus liegen. Allerdings ist ein experimenteller Beweis für die hiermit vertretene These bislang nirgends wirklich überzeugend geführt.

BACK kann als eine deutsche Re-Implementierung von KRYPTON angesehen werden, bei der die Nachteile der Zweiteilung durch den Versuch einer größeren Ausgewogenheit der Arbeitsteilung minimiert werden sollten. Als Beweismechanismus für die ABox wurde dabei derjenige von der gewählten Implementierungssprache PROLOG herangezogen. Auch SB-ONE [AF89] ist ein deutscher Nachbau von KL-ONE, der aber zunächst wieder weniger Gewicht auf den deduktiven Teil legt.

Während die KL-ONE Sprachfamilie von den Ideen der assoziativen Netze geprägt ist, hat sich unabhängig davon eine analoge Entwicklung von rahmenbasierten Sprachen vollzogen. Genauer spricht man hier von rahmenbasierten Vererbungssystemen (engl. frame-based -- oder auch class/property -- inheritance systems), bei denen jeder Knoten eine Klasse (Konzept) oder ein Objekt repräsentiert, ihm aber zusätzlich noch Eigenschaften bzw. ein Konzeptrahmen zugeordnet wird. Ausnahmen in dem im letzten Abschnitt behandelten Sinne gibt es dabei hinsichtlich der Vererbung von Eigenschaften. FRL [RG77] ist eine typische rahmenbasierte Vererbungssprache. Auch KRL [BW77a] kann in diesem Zusammenhang erwähnt werden.

Eine weitere Klasse von Repräsentationssprachen ist durch den Begriff der Produktionssysteme charakterisiert, dem der nächste Abschnitt gewidmet ist. Die bekannteste Sprache hieraus ist OPS5 [Bro85], die wir dort auch im einzelnen besprechen wollen. In diese Klasse fällt auch EMYCIN [Sho76] sowie die deutsche (in PROLOG realisierte) Nachempfindung TWAICE [Sav85].

DOMINO-EXPERT [BES89b] (ursprünglich PRINCESS genannt) ist eine Weiterentwicklung dieser Richtung. Sie bietet in jedem Schlitz eines Rahmens bis zu zehn Facetten der in Abschnitt 2.5 beschriebenen Art an. Anders als bei KL-ONE sind in der Vererbungsstruktur auch Ausnahmen der in Abschnitt 2.6 beschriebenen Art erlaubt. Im Ansatz verfolgt DOMINO-EXPERT ein weitergestecktes Ziel, da diese Sprache dem Benutzer nicht einen vorgefertigten Formalismus bieten möchte, sondern einen Werkzeugkasten (engl. toolbox), aus dem er sich den seinen Bedürfnissen angepaßten heraussuchen und noch weiter modellieren kann. DOMINO-EXPERT stellt daher neben dem Rahmen- und Vererbungskonzept auch den logischen Formalismus von PROLOG (worin die Sprache auch implementiert ist), aber auch die in Abschnitt 2.9 behandelten Produktionsregeln zur Verfügung. Dabei ist in der Konzeption der Sprache die interne Vereinheitlichung dieser verschiedenen Konzepte im Rahmen der Logik in der Weise angestrebt, wie es auch in der Darstellung hier versucht wird. Es handelt sich hier also um ein hybrides System.

Weitere hybride Systeme dieser Art mit anderen Gewichtungen sind LOOPS  [SBMC83], BABYLON [CdV89] und LUIGI [LK91]. Insbesondere ist aber auch das kommerziell erfolgreiche System KEE [KC84] hier zu nennen. Die neueren dieser Systeme (LUIGI, KEE) zeichnen sich insbesondere auch dadurch aus, daß sie ein sogenanntes ATMS (siehe Abschnitt 3.10.2) mitenthalten.

Da hierarchisch strukturierte Klassen innerhalb der Logik schon vor Jahrzehnten als Sortenlogik eingeführt und, angeregt durch die Bedeutung in der Wissensrepräsentation, in jüngster Zeit wieder in den Blickpunkt des Interesses gerückt sind, versucht man heute, auch Sorten und Sortenstrukturen innerhalb eines logischen Formalismus zur Grundlage von Wissensrepräsentationssprachen zu machen. Wir erwähnen in diesem Zusammenhang insbesondere LILOG [Pv90]. Aus der Sicht der Autoren ist dieser Ansatz nicht unattraktiv, könnte aber noch homogener innerhalb der unsortierten Logik mit gleicher Effizienz und Ausdrucksstärke realisiert werden [Bib88a].

Alle bislang genannten Sprachen fallen auch unter das Stichwort ``objektorientierte Sprachen''. Schon in Abschnitt 2.3 haben wir festgestellt, daß es sich aus logischer Sicht dabei lediglich um eine andere Sicht auf Formeln handelt. Bei gebräuchlichen Sprachen dieser Familie tritt jedoch ein weiteres wichtiges Charakteristikum hinzu, das wir als ``Dämonen'' oder angehängte Prozeduren im Ansatz schon bei den Konzeptrahmen kennengelernt haben. Ein Objekt besteht hier nämlich aus einem Bündel von (vererbbaren) ``Methoden'', die sich dadurch von angehängten Prozeduren unterscheiden, daß sie durch Nachrichten anderer Objekte und nicht durch Wertänderungen oder Anfragen aktiviert werden. Da wir dies als einen Aspekt außerhalb der Wissensrepräsentation ansehen, wollen wir hierauf nicht genauer eingehen, sondern nur die herausragendsten Vertreter SMALLTALK [Gol84], LOOPS [SBMC83, BS83] und CLOS (Common LISP object system) [Kee89, Ste84] erwähnen.

Abschließend erwähnen wir zum einen noch NETL [Fah79], eine netzorientierte Sprache, deren Besonderheit darin liegt, daß sie eine parallele Abarbeitung unterstützt. Zum anderen verweisen wir an dieser Stelle auf das Großprojekt Cyc [GL90], das sich die Repräsentation einer enzyklopädischen Wissenbasis zum Ziel gesetzt hat. Auch hier wird das Wissen in einer rahmenartigen Weise repräsentiert.



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Christoph Quix, Thomas List, René Soiron
30. September 1996