Da wir Menschen nach entsprechendem Training im allgemeinen mit großer Leichtigkeit zeitliche und räumliche Aufgabenstellungen lösen, scheint es eine Repräsentation von zeitlichen und räumlichen Wissen zu geben, die zum einen so mächtig und universell ist, daß wir darin unser Alltagswissen ausdrücken können, und zum anderen Operationen erlaubt, mit denen sich unsere Alltagsprobleme sehr schnell und effizient behandeln lassen. Wegen der zentralen Rolle von Zeit und Raum wollen wir uns in diesem Abschnitt mit dem zeitlichen und räumlichen Schließen befassen, deren Ziel die Entwicklung einer allgemeine Theorie für die Repräsentation und die Behandlung von Zeit und Raum ist.
Zeitliches und räumliches Schließen sind eng miteinander verbunden. Wollen wir beispielsweise das Anstreichen eines schmutzig-weißen Gartenzauns mit blauer Farbe modellieren, dann müssen wir unter anderem den Ort des Gartenzauns, die Fläche des Gartenzauns, die Dauer des Anstreichens oder die langsame, partielle Veränderung der Farbe des Zauns während des Anstreichens repräsentieren und gegebenenfalls manipulieren. (Die genauen Details hängen natürlich von dem jeweils betrachteten Abstraktionsgrad ab.) Wir müßten also ein vierdimensionales Gebilde bestehend aus den drei Dimensionen des Raumes und der einen Dimension der Zeit modellieren, wie dies zB. P. J. Hayes unter Verwendung des Konzepts einer Geschichte vorschlug [Hay84].
Nun haben aber nicht alle Vorgänge eine zeitliche und räumliche Ausdehnung. Man denke dabei nur an eine Unterhaltung. Auch gibt es neben der Dimensionalität weitere Unterschiede zwischen der zeitlichen und räumlichen Domäne. So existiert im Raum im allgemeinen keine ausgezeichnete Richtung, während wir uns in der Zeit vor allem nach vorne bewegen. Wir können den Raum und die sich in ihm befindlichen Objekte direkt mittels unserer Sinnesorgane wahrnehmen, während dies für die Zeit nicht wirklich gilt. Aus diesen und aus pädagogischen Gründen werden wir im folgenden zeitliches und räumliches Schließen getrennt voneinander betrachten und uns dabei -- schon aus Platzgründen -- auf die Behandlung der Zeit stärker konzentrieren. Die Zeit erlaubt auf Grund ihrer Eindimensionalität manche Fragen und Probleme, die auch für den Raum gelten, exemplarisch zu behandeln. Nichtsdestotrotz sei hier noch einmal auf die Bedeutung der Verbindung des zeitlichen und des räumlichen Schließens hingewiesen.
Christoph Quix, Thomas List, René Soiron