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2.3.1 Syntax und Semantik der Prädikatenlogik

Ein wichtiger Grundgedanke der heutigen Prädikatenlogik ist die Unabhängigkeit der syntaktischen Aussage von ihrer semantischen Bedeutung, die erst mittels einer zusätzlich zu gebenden Interpretation bestimmt ist. Allerdings ist eine solche mögliche Interpretation durch die Syntax schon in gewissem Sinne eingeschränkt.

Betrachten wir dazu die kleinste Einheit einer Aussage, eine sogenannte atomare Grundaussage, zB. ``Nürnberg ist eine Stadt''. Prädikatenlogisch würde man hierfür (einer gewissen, hier nicht näher besprochenen Konvention folgend) schreiben ist_eine_Stadt(Nürnberg). ist_eine_Stadt ist ein (einstelliges) Prädikatszeichen, Nürnberg ein Konstantenzeichen. Nur bezüglich dieses syntaktischen Unterschiedes zwischen Prädikats- und Konstantenzeichen ist eine Interpretation dieses Satzes eingeschränkt. Das heißt, es ist prädikatenlogisch völlig legitim -- mag es zunächst auch unnatürlich erscheinen --, diese syntaktische Aussage etwa als ``Charlie Chaplin ist ein Genie'' zu interpretieren. Bei dieser Interpretation wird das Konstantenzeichen Nürnberg als Charlie Chaplin und das Prädikatszeichen ist_eine_Stadt als die Eigenschaft, Genie zu sein, interpretiert.

Um diese Neutralität bezüglich möglicher Interpretationen hervorzuheben, verwendet man in der Prädikatenlogik üblicherweise neutralere Zeichen wie zB. statt ist_eine_Stadt und statt Nürnberg, insgesamt also oder auch kurz . Von dieser Neutralität geht man nur dann ab, wenn mit der syntaktischen Aussage auch gleich eine bestimmte Interpretation suggeriert werden soll, wie eben im obigen Beispiel, wo die Aussage sinnvollerweise nur durch die Interpretation, daß Nürnberg halt eine Stadt sei, belegt werden sollte, auch wenn die Prädikatenlogik formal andere Interpretationen zulassen würde.

Was also wird durch die obige atomare Aussage eigentlich repräsentiert? Im Grunde nicht mehr als eben die logische Beziehung zwischen dem Prädikatszeichen und der Konstanten. Der semantische Gehalt einer solchen Beschreibung, wie wir als Menschen sie verstehen, ergibt sich erst durch das komplexe Geflecht vieler solcher Beziehungen, in dem Gleiches mit gleichem Namen bezeichnet wird. Zum Stichwort ``ist_eine_Stadt'' als auch zu ``Nürnberg'' weiß ich so viel, daß ich leicht ein ganzes Buch darüber schreiben könnte. Vieles davon klingt an, wenn ich die obige Beschreibung lese. Darin allein liegt der Grund, daß sie so viel mehr semantischen Gehalt zu haben scheint, als die bloße syntaktische Beziehung. Für einen Chinesen würde der Satz dagegen nicht allzu viel mehr aussagen als für einen Computer, da er schon mit den Buchstaben nichts anfangen könnte.gif

Was einem auf den ersten Blick als Mangel an der Fregeschen Darstellung erscheinen könnte, entpuppt sich daher als ein Charakteristikum einer jeglichen semantischen Maschine (vgl. Abschnitt 1.3). Es besteht in einer semantisch konsistenten Verwendung von sprachlichen Bezeichnungen, worauf schon Wittgenstein eingehend hingewiesen hat [Wit58].

Allgemein bestehen atomare Grundaussagen aus einem -stelligen Prädikatszeichen und Grundtermen, die aus Konstantenzeichen (also nullstelligen Funktionszeichen) und Funktionszeichen irgendwelcher Stelligkeit (also aus Funktionszeichen insgesamt) aufgebaut sind. Insbesondere enthalten sie also keine Variablen. Dabei ist eine beliebige Zahl größer oder gleich Null. Grundaussagen sind atomare Grundaussagen oder sind aus diesen mittels der aussagenlogischen Verknüpfungen aufgebaut, wie die folgenden abstrakten Beispiele zeigen.

Grundaussagen lassen sich gänzlich in der Sprache der Aussagenlogik darstellen, indem man für jede atomare Grundaussage ein neues Zeichen einführt, was jedoch ihre Struktur verwischt. So ließe sich für die Grundaussage zB. das Zeichen , für das Zeichen usw. einführen.

Beliebige Formeln der Prädikatenlogik erster Stufe lassen bei dem Formelaufbau zusätzlich (zu den in den Grundaussagen verwendeten) Konstanten noch Variablen und zusätzlich zu den aussagenlogischen Verknüpfungen noch Quantoren zu, mit denen diese Variablen gebunden werden können. Eine Formel dieser Art ist das folgende Beispiel.

was man als ``jeder Hund hat seinen Herrn'' lesen (dh. interpretieren) könnte. Wenn alle in der Formel auftretenden Variablen gebunden sind, wie es in diesem Beispiel der Fall ist, dann spricht man auch von einer geschlossenen Formel oder einer (allgemeinen) Aussage.



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Christoph Quix, Thomas List, René Soiron
30. September 1996