Dauerorganisation

Die Beschreibung von Prozessabläufen spielt nicht nur für die Planung von Projekten eine grosse Rolle, sondern ist auch für die Dauerorganisation von erheblicher Bedeutung. Anders als bei der Projektplanung geht es hier jedoch nicht primär darum, eine prinzipiell einmalige Vorgangsfolge zu planen und durchzuführen. Vielmehr werden die Prozesse in der Dauerorganisation typischerweise wiederholt durchlaufen. Im Vordergrund der Planung steht dementsprechend weniger die einzelne termTransaktion, sondern eine generelle Prozessgestaltung, die für verschiedene konkrete Transaktionen eines bestimmten Typs gültig sein soll. Eine der Konsequenzen dieser generalisierenden Prozessbetrachtung ist, dass der Gesichtspunkt der Fallunterscheidung bei der Bearbeitung in Abhängigkeit von bestimmten Bedingungen eine grössere Bedeutung bekommt, als dies bei der Projektplanung der Fall ist.

In der deutschsprachigen Organisationslehre wurde bereits früh die enge Abhängigkeit zwischen Aufbau- und Ablauforganisation erkannt und auf die Bedeutung der Ablauforganisation und damit der Prozessgestaltung für die betriebliche Leistungserstellung hingewiesen. Dessen ungeachtet dominierten in den Betrachtungen der Organisatoren vielfach die Aspekte der Aufbauorganisation, wie bei der Lektüre einschlägiger Lehrbücher deutlich wird. Ablauforganisation wurde, wenn überhaupt, oftmals nachrangig behandelt. Bereits seit etlichen Jahren haben die Betrachtung von Prozessen und ihre zweckmässige Gestaltung jedoch an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung wurde teilweise von verschiedenen neuen Management-Ansätzen getrieben.

In den 80er-Jahren wurde von einigen amerikanischen Autoren die Idee entwickelt, dass bestehende Geschäftsprozesse kritisch zu hinterfragen und allenfalls radikal zu verändern seien. Dieser Ansatz ist unter dem Namen Business Process Redesign (BPR) bekannt geworden. Ein wesentliches Anliegen von BPR ist es, zweifelhafte Prozessschritte zu erkennen und den Prozess soweit neu zu gestalten, dass diese Schritte eleminiert werden können. Dabei geht es auch um die Optimierung von Informationsflüssen, die innerhalb eines Prozesses erfolgen. Es ist dann auch kein Wunder, dass im Rahmen des BPR die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologien betont wird.

example

Eines der bekanntesten Beispiele zur Illustrierung der Anliegen des BPR ist die Analyse des Prozesses zur Bearbeitung von Kreditanträgen in einer amerikanischen Bank (zitiert nach Griese/Sieber (2001), S. 47 ff). Der Prozess ist so organisiert, dass die verschiedenen Aufgaben bei der Bearbeitung des Kreditantrages sequentiell von unterschiedlichen Personen ausgeführt werden:

  • Ein Kunde stellt ein Kreditbegehren an den Kundenberater der Bank.
  • Dieser übermittelt das Begehren telefonisch an eine interne Stelle, die die Kreditwürdigkeit des Kunden überprüft. Dazu kann bei anderen Banken nach bereits vergebenen Krediten an den Kunden nachgefragt werden. Der Kunde selbst liefert der Stelle Unterlagen über Sicherheiten (Bürgschaften, Vermögenswerte etc.).
  • Ist die Kreditwürdigkeit zugesichert, so wird das Begehren mittels interner Post an eine andere Stelle weitergegeben, die die Konditionen (Zinssatz, Laufzeit etc.) festlegt. Wiederum muss mit dem Kunden Kontakt aufgenommen werden.
  • Schliesslich arbeitet eine dritte Stelle den Vertrag aus und gibt ihn dem Kundenberater weiter.
  • Der Kundenberater informiert den Kunden, der Vertrag wird unterschrieben und der Kredit gesprochen.

Diese Prozessgestaltung führt zu einem unbefriedigenden Prozessverlauf. Aufgrund der vielen Übergänge von einer Person zu einer anderen kommt es zu Zeitverlusten aufgrund der Übermittlung und der Wartezeit, bis der Vorgang von der jeweiligen Person bearbeitet wird. Zudem ist es wegen verschiedenen Detailabklärungen unter Umständen notwendig, den Kunden wiederholt zu kontaktieren, was wiederum zu weiteren Zeitverlusten führt. Dies alles führt dazu, dass die gesamte Prozessdauer bis zur Genehmigung des Antrages ein Vielfaches der Zeit in Anspruch nimmt, wie die Summe der reinen Arbeitszeiten, welche bei den jeweiligen Aufgabenträgern anfallen.

Auch im Zusammenhang mit dem aufgekommenen Gedanken des Qualitätsmanagements, wie es etwa im Rahmen des termTotal Quality Management (TQM) propagiert wird, spielen Prozesse eine wichtige Rolle. Hierbei geht es darum, eine möglichst hohe Qualität der erbrachten Leistung sicherzustellen. Die Qualität einer Leistung wird zu einem wesentlichen Teil durch den Prozess bestimmt, der diese Leistung hervorbringt. Also muss es darum gehen, diese Prozesse mit Hinblick auf Qualitätsfolgen zu analysieren und zu kontrollieren.

Im Zusammenhang mit dem Qualitätsmanagement ist es Mode geworden, sich von darauf spezialisierten Unternehmen zertifizieren zu lassen. Eines der bekanntesten Zertifikate mit Hinblick auf die Qualität stellt die Einhaltung des ISO-9000-Standards dar. Bei diesen Qualitätszertifikaten müssen Organisationen unter anderem den Nachweis erbringen, dass für alle wesentlichen Betriebsabläufe ein strukturierter Prozess existiert und dass dieser auch eingehalten wird. Dies führt dazu, dass im Rahmen des Qualitätsmanagements Prozesse detailliert aufgenommen und beschrieben werden.