Präpositionen im Lexikon

Morphologieanalyse und Lexikonaufbau (8. Vorlesung)

Dozent: Martin Volk

Übersicht


Motivation

Er sieht die Frau mit den blonden Haaren.
Er sieht die Frau mit eigenen Augen.
Er sieht die Frau mit dem Fernglas.

Präpositionen sind eine sehr häufige Quelle syntaktischer Mehrdeutigkeit. Die korrekte Zuordnung von Präpositionalphrasen (PP) innerhalb einer Syntaxstruktur ist oft schwierig. Eine PP kann sein:

Adjunkt oder Präpositionalobjekt:
Er will sich nach der Dissertation in der Bibliothek umsehen
Adjunkt oder Attribut:
Er sieht den Baum im Park.
Attribut oder Präpositionalobjekt:
Als der Mörder von Dessau gefangen wurde ...
Adverbial oder Attribut zu Adjektiv:
Er kaufte für den menschlichen Bedarf unbrauchbare Kartoffeln.

Definitionen

(Def. nach [Bussmann 83])

Präposition (Verhältniswort)
Urspr. aus Ortsadverbien entstandene nicht flektierende und nicht satzgliedfähige Wortart. Die adverbiale Herkunft zeigt sich im Dt. noch bei durch, vgl. durch- als Präfix (mit lokaler Semantik) in den Park durchlaufen, als Präp. in durch den Park laufen und bei adverbialen Gebrauch in durch und durch.

Ähnlich wie Adverbien und manche Konjunktionen bezeichnen Präpositionen in ihrer ursprüngl. Bedeutung Beziehungen zwischen Elementen hinsichtlich der Grundverhältnisse (semantische Klassen)

Im Unterschied zu Adverbien und Konjunktionen verfügen Präpositionen über die Eigenschaft der Rektion, d.h. sie bestimmen den Kasus ihrer Bezugswörter (Rektionsklassen)

Die urspr. Bezeichnung "Voranstellung" trifft nur bedingt zu, denn nach syntaktischer Stellung unterscheidet man folgende "Adpositionen" (Stellungsklassen):

In neuerer Zeit sind zahlreiche neue Präpositionen entstanden aus

Bei vielen Präpositionen kann nur die syntaktische Analyse ermitteln, ob die Wortform wirklich als Präposition oder als Adverb, Konjunktion, Adjektiv, Substantiv oder als abtrennbarer Verbpräfix benutzt wird. (Bsp. aus [Schweisthal 1971] S. 16)

Das Haus lag abseits der Strasse.
Das Haus lag abseits.                     (Adv.)
Während des Regens bleiben wir im Haus.
Während es regnete, bleiben wir im Haus.  (Konj.)
Sein Ruf war laut Aussage der Zeugen ...
Sein Ruf war laut.                        (Adj.)
Dank seinem Vater wurde er gerettet.
Dank sei seinem Vater.                    (N.)
Er kam durch den Wald.
Er kam durch.                             (abtr. Präfix)
Präpositionalphrase (PP)
Syntaktische Kategorie, die unterschiedliche syntaktische Funktionen erfüllen kann.
  1. fakultative Adverbiale; d.h. nicht valenznotwendige und somit frei hinzufügbare und tilgbare Angabe:
    Sie suchte ihre Lupe auf/unter/neben dem Tisch.
  2. obligatorische Adverbiale; durch die Valenz des Verbs geforderte Adverbiale
    Martina wohnt in Stuttgart.
  3. Präpositionalobjekt; durch die Valenz gefordertes Objekt, dessen Präposition aber weitgehend durch das Verb festgelegt und semantisch leer ist.
    glauben an
    sich verlassen auf
  4. Funktionsverbgefüge; syntaktische Fügung, die aus einem präpositionalen Objekt und einem Funktionsverb besteht. (Ein Funktionsverb ist ein Verb, das in bestimmten Kontexten seine lexikalische Bedeutung fast ganz verloren hat und vorwiegend eine grammatische Funktion erfüllt, indem es als Bindeglied zwischen Subjekt und präpositionalem Objekt erscheint.)
    in Rechnung stellen
    zur Abstimmung kommen
  5. Attribut
    Der Betrug am Wähler
    der Eingang zum Theater

PPs können realisiert sein als:

P. + NP:              mit Geld, durch den Garten
kontr.P. + N':        im Garten
P. + Pronomen:        auf etwas, bei ihnen
P. + Adjektiv:        bei weitem, für gut (halten), auf deutsch (sagen)
P. + Adverb:          bis heute, nach unten, von oben 
Pronominaladverbien:  dadurch, darin, damit
Interrogativadverb.:  wodurch, worin, womit
PronAdv + dass-Satz:  darauf, dass er kommt

Anzahl der Präpositionen

CELEX (eine lexikalische Datenbank für Deutsch, Englisch, Holländisch auf CD-ROM) enthält 108 deutsche Präpositionen. Darin sind die kontrahierten Präpositionen (am, im, zur, etc.) nicht enthalten. [Schröder 90] behauptet, dass es im Deutschen mehr als 200 Präpositionen gibt. Er zählt z.B. auch dazu à, als, bar, gen, ob, voll, wie , die alle in CELEX nicht als Präpositionen geführt werden.

Die CELEX-Liste erscheint etwas willkürlich, denn sie enthält nördlich, nordöstlich, südlich, aber es fehlen östlich und westlich . Sie enthält andererseits einige sehr selten gebrauchte Präp. wie antwortlich, beziehentlich, rücksichtlich, vermittelst .

Häufigkeitsverteilung bei den Präpositionen

nach Meier, H.: Deutsche Sprachstatistik. Hildesheim: Georg Olms. 1964

 
 4  in     188.078  (auch präd. Adj.)
 5  zu     172.625  (auch Adv., präd. Adj., Inf.-Marker, abtr. Präfix)
 9  von    113.201  (auch Bestandteil von Namen)
14  mit     91.552  (auch Adv., abtr. Präfix)
21  auf     80.944  (auch Adv., abtr. Präfix)
26  an      55.710  (auch Adv., abtr. Präfix)
27  nach    54.760  (auch Adv., abtr. Präfix, Postposition)
29  im      50.770  kontr.
30  für     50.559  (auch Adv.)
33  aus     40.615  (auch Adv., abtr. Präfix)
34  durch   40.329  (auch Adv., abtr. Präfix)
40  bei     38.844  (auch abtr. Präfix)
50  um      30.206  (auch Adv., abtr. Präfix, Konjunktion)
54  über    25.497  (auch Adv., abtr. Präfix)
61  zum     23.278  kontr.
62  zur     22.794  kontr.
65  vor     21.851  (auch Adv., abtr. Präfix)
73  am      18.523  kontr.
76  unter   17.636  (auch abtr. Präfix)
81  bis     16.399  (auch Adv., Konjunktion)
91  gegen   14.430  (auch abtr. Präfix)
92  vom     13.636  kontr.
97  ohne    12.895  (auch Konjunktion)

D.h. unter den 100 häufigsten Wortformen sind 23 Präpositionen (18, wenn man die kontrahierten Präpositionen als Varianten ansieht). Von Position 100 bis Position 200 tritt nur eine Präposition auf (zwischen )! Alle nicht-kontrahierten Präpositionen sind poly-funktional. 13 können als abgetrennter Verbpräfix auftreten, 12 können als Adverb auftreten, 3 als Konjunktion, 2 als prädikatives Adjektiv, 1 als Postposition. zu hat noch die Sonderfunktion als Infinitiv-Markierung und von kann Bestandteil von Eigennamen sein.

Anmerk.: Es finden sich (bes. in der gespr. Sprache) auch redundante Konstruktionen, bei denen z.B. sowohl abtrennbarer Präfix als auch die Präp. auftreten.

Er stieg aus dem Bus aus.
Sie lehnte sich an die frisch gestrichene Laterne an.

Häufigkeiten nach CELEX

in      110326  
zu       30829   
von      27935   
mit      25618   
auf      22051   
für      19688   
bei      17819   
an       14903   
aus      11549   
nach     10345   
vor       7403   
durch     7135   
um        5671   
zwischen  5594    (neu!)
über      5543    
unter     4337   
gegen     4216   
bis       3431    
ohne      2570

Häufigkeit und Rektion

Die Kasus-Rektion ist bei den 18 häufigsten Präpositionen so verteilt:

6 * [Akkusativ und Dativ]
an, auf, in, über, unter, vor
Es gibt nur noch 3 weitere Präpositionen, die sowohl Akkusativ- als auch Dativ-Rektion haben: hinter, neben, zwischen .
6 * Akkusativ
bis, durch, für, gegen, ohne, um
Es gibt nur noch wenige weitere Präpositionen, die Akkusativ-Rektion haben: c/kontra, je, per, pro, versus, via, wider.
6 * Dativ
aus, bei, mit, nach, von, zu

Genitiv-Rektion kommt bei den häufigen Präpositionen nicht vor. Jedoch gibt es viele (50 in der CELEX-Liste) seltenere Präpositionen mit Genitiv-Rektion (die häufigsten: während, trotz, statt, angesichts, innerhalb).

Kontrahierte Präpositionen

Nach [Duden 95](S. 318 ff): Bestimmte Präpositionen verschmelzen mit dem, den, das, der zu einer Form. Es sind dies:

an, auf, ausser, bei, durch, für, hinter, in, neben, über, unter, von, vor, zu

Einige Verschmelzungen mit diesen Präpositionen gelten jedoch als umgangssprachlich.

aufs, fürs, hinterm, überm, ...
  1. In vielen Fällen ist die Verschmelzung nicht mehr auflösbar.
    zur See fahren, im Vertrauen, jmd. zum Künstler ausbilden
  2. Bei am + Superlativ ist die Verschmelzung nicht auflösbar.
    Sie tanzt am besten.
  3. am, beim, im bilden mit sein und substantiviertem Infinitiv die sog. Verlaufsform. Die Verschmelzung ist nicht auflösbar.
    Er ist am Arbeiten.
    Fussball ist im Kommen.
    Sie ist beim Kochen.
  4. Bei Datumsangaben ist die Verschmelzung fest.
    am 12. Juni
  5. Wenn die Artikelform betont ist, kann die Verschmelzung nicht eintreten.
    Er geht aufs Gymnasium.
    Er geht auf das Gymnasium, das wir schon lange kennen.

Zirkumpositionen

... werden aus Adpositionen zusammengesetzt.

 an      DAT    entlang, vorüber                Lokal 
 an      DAT    heran, vorbei                   Lokal 
 auf     AKK    hinauf, herauf                  Lokal 
 aus     DAT    her, heraus, hinaus             Lokal 
 hinter  DAT    her, hervor                     Lokal 
 in      AKK    hinein, herein, hinauf, herauf  Lokal 
 über    AKK    hinaus                          Lokal 
 um      AKK    herum                           Lokal 
 um      GEN    willen                          Kausal
 unter   DAT    hindurch                        Lokal 
 von     DAT    aus                             Kausal 
 von     DAT    weg                             Lokal 
 von     DAT    ab                              Temporal, Modal
 vom     DAT    an                              Temporal
 zu      DAT    hin, hinüber                    Lokal 

Auffällig ist, dass die Zirkumposition die Zuordnung zu einer semantischen Klasse erleichtert, oft sogar eindeutig macht. Vor allem lokative Information wird über Zirkumpositionen beschrieben.

Kombinationen von Präpositionen

Nur wenige Präpositionen können in Kombination mit einer anderen Präposition auftreten. Der prominenteste Vertreter dieser Gruppe ist bis aber auch einige andere ursprünglich mit Genitiv gebrauchte, lokale Präpositionen. Tritt bis kombiniert mit einer anderen Präp. auf, so übernimmt diese Präp. die Kasusrektion. bis fungiert somit wie ein Adverb.

bis zum 15. Oktober
bis um 15:00 Uhr
bis ans Ende des Tales
bis auf die letzte Strophe

jenseits von Afrika
westlich von Rhein und Hunsrück

bis tritt auch mit Zirkumpositionen auf.

bis zu den Bergen hin

Merke: Geschachtelte Konstruktionen gehören nicht zu den Kombinationen.

mit (vor Zorn funkelnden) Augen
in (mit allem Luxus) ausgestatteten Zimmern

Koordination von Präpositionen

Bsp. aus [Breindl 89] S.134

... mit seiner Planierraupe gegen und in das Gebäude gefahren.
Viele Lehrer leiden nicht nur mit sondern auch unter ihren Kindern.

Semantische Klassifizierung

Nach der Duden-Grammatik fallen die Präpositionen in 4 semantische Klassen (analog wie in der obigen Definition):

  1. Lokale Präposition zur Kennzeichnung des Raumes, der Lage, der Richtung
    jenseits, neben
  2. Temporale Präposition zur Kennzeichnung des Zeitpunkts, der Dauer
    seit, während
  3. Modale Präposition zur Kennzeichnung der Art und Weise
    ohne, statt
  4. Kausale Präposition zur Angabe des Grundes, des Anlasses, der Einräumung, des Zweckes
    dank, zwecks

17 der 18 häufigsten Präpositionen gehören mehreren semantischen Klassen an.

Bsp. für die verschiedenen semantischen Lesarten von über :

Die Fahne hängt über der Strasse. (Lokal: Punkt)
Er fliegt über die Alpen. (Lokal: Strecke)
Er fuhr über Ostern ins Tessin. (Temporal)
Den ganzen Tag über hatte es geregnet. (Temporal)
Sie sind über dem Lärm aufgewacht. (Kausal)

Er besitzt über 100 Autos. (Spezial: bei Zahlen)
Er sitzt über den Hausaufgaben. (Spezial: bei 'sitzen')
Er macht Fehler über Fehler. (Spezial: zwischen Substantiven)

Eine feinere semantische Klassifizierung wird in [Schröder 90] vorgenommen. Er unterscheidet 34 Gebrauchsbereiche (= semant. Klassen). So ist z.B. 'lokal' aufgeteilt in

Unter den 34 Klassen finden sich aber auch sehr spezifische:

Adversativ:   entgegen, gegen, wider
Massangaben:  über, unter
Minimum:      ab
Rangordnung:  nach, vor, über

Präpositionen in gedruckten Lexika

entnommen aus DUDEN Deutsches Universalwörterbuch A-Z (Windows CD-ROM). Version 1.1; 1994.

Beispiel: 'in'

in [mhd., ahd. in] 'Präp. mit Dativ u. Akk.':

  1. (räumlich)
    1. 'mit Dativ' zur Angabe des Sichbefindens, des Vorhandenseins innerhalb eines Raumes o. ä., der Stelle, des Platzes, wo sich jmd., etw. befindet, des Zusammenhangs o. ä., in dem jmd., etw. zu finden ist, vorkommt o. ä.:
      er ist in Berlin; 
      der Schlüssel ist in der Tasche; 
      er ist Mitglied in einer Partei;
      
    2. 'mit Akk.' zur Angabe eines Ziels, auf das hin eine Bewegung stattfindet, der Stelle, des Platzes, wohin sich jmd. begibt, wohin etw. gebracht wird o. ä., eines grösseren Zusammenhangs o. ä., in den sich jmd. begibt, in den etw. hineingebracht wird:
      in die Stadt fahren; 
      das Kleid in den Schrank hängen; 
      in eine Partei eintreten.
  2. (zeitlich)
    1. 'mit Dativ' zur Angabe eines Zeitpunktes od. Zeitraumes, in dem, in dessen Verlauf od. nach dessen in der Zukunft liegendem Ende etw. Bestimmtes vor sich geht o. ä.:
      in zwei Tagen ist er fertig; 
      in diesem Sommer hat es viel geregnet; 
      (nicht standardspr.; nach engl. Vorbild:) in 1976; 
      in einem Jahr hofft er sein Examen zu machen; 
      frühestens/spätestens in einer halben Stunde;
      
    2. 'mit Akk.; häufig mit vorangehendem "bis"' zur Angabe einer zeitlichen Erstreckung:
      seine Erinnerungen reichen [bis] in die früheste Kindheit zurück.
  3. (modal) 'mit Dativ' zur Angabe der Art u. Weise, in der etw. geschieht o. ä.:
    er geht in Stiefeln; 
    in vielen Farben; 
    in Wirklichkeit; 
    er war in Schwierigkeiten.
  4. (unabhängig von räumlichen, zeitlichen od. modalen Vorstellungen)
    1. 'mit Dativ od. Akk.' stellt eine Beziehung zu einem Objekt her:
      er ist tüchtig in seinem Beruf; 
      sie hat sich in ihn verliebt; 
    2. 'mit Dativ' (Kaufmannsspr.) mit:
      er handelt in Gebrauchtwagen.

Rektion und Präpositionalobjekte

Verbrektion

Ein Verb regiert über seine Valenz den Typ seiner Komplemente. Fordert ein Verb ein Präpositionalobjekt, so kann es mit unterschiedlicher Deutlichkeit eine bestimmte Präposition oder eine Klasse von Präpositionen für dieses PO fordern. [Schweisthal 71] (S. 70) unterscheidet 5 Ebenen der Deutlichkeit.

  1. Das Verb erscheint nicht ohne eine bestimmte Präp. in Texten.
    sorgen für, ankämpfen gegen, sich kümmern um
  2. Das Verb kann ohne Präp. im Text erscheinen, diese ist dann aber impliziert.
    warten auf, sich erinnern an, danken für
  3. Das Verb lässt eine bestimmte Präposition erwarten.
    sich auflösen in, abprallen von, sich verbeugen vor
  4. Das Verb fordert eine Klasse von Präpositionen.
    ragen aus/in/über
    sich ergiessen in/über/zwischen
    gelangen zu/auf/in/nach/an
  5. Das Verb gehört in einer bestimmten Bedeutung zu einer der Ebenen 1-4.
    halten für       (gehört zu 1) vs. halten an/bei/über
    abfallen gegen   (gehört zu 2) vs. abfallen von/nach
    nachschlagen in  (gehört zu 3) vs. nachschlagen  /ohne Präp./

Substantivrektion

Analog zur Verbrektion gibt es auch in der Substantivvalenz mehr oder weniger deutliche Forderungen nach bestimmten Präpositionen. Das gilt in erster Linie für substantivierte Verben:

Gewöhnung an
Einwirkung auf
Auflehnung gegen
Frage nach
Aufforderung zu

Aber auch andere Substantive haben solche Valenzen:

Attentat auf
Mut zu
Abkommen mit/zwischen
Krieg gegen/mit/zwischen
Hang zu/für

Korpusuntersuchungen zur Präposition 'mit'


Martin Volk
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