9.1
 Nicht-konkatenative Morphologie (NKM)

Konkatenative vs. nicht-konkatenative Morphologie 

Theorie

Rein konkatenative EA-Morphologie verwendet nur Konkatenation und Vereinigung, wie sie in lexc zur Verfügung gestellt wird, um morphologische Einheiten zu kombinieren.

Praxis

Natürliche Sprachen (auch agglutinierende) funktionieren aber nie so: Assimilation (Lautanpassung), Epenthese (Lauteinschaltung) und Elision (Lautausfall) ergeben sich aus dem Zusammenspiel von Morphemen.

Extrem konkatenative Morphologie  

Beispiel 9.1.1 (Polysynthetische Sprache: Inuktitut).



Oben Paris+mut+nngau+juma+niraq+lauq+sima+nngit+junga


Glosse Paris Terminalis-Kasus Weg-nach wollen sagen-dass Vergangenheit Perfektiv Zustand Negativ 1sg-intransitiv


Unten Parimunngaujumaniralauqsimanngittunga


Bed. Ich sagte niemals, dass ich nach Paris gehen will.


Quelle: [BEESLEY und KARTTUNEN 2003b, 376].

Wo findet sich hier Assimilation, Epenthese oder Elision?

Morphologie in einer polysynthetischen Sprache

Eine gute deutschsprachige Einführung in Inuktitut gibt [NOWAK 2002]. Eine Affixliste dazu findet sich in [EHRHARDT 2003], wo man die behaupteten Fakten zu verifizieren versuchen kann.

Beispiel für normales modernes geschriebenes Inuktitut 


PIC

Quelle: http://www.itk.ca/inuk-mag/magazines/InukMagazine85.pdf

Abbildung 9.1: Beispiel für normales modernes geschriebenes Inuktitut

Nicht-konkatenative Morphologie 
Typischerweise versteht man darunter Phänomene bzw. eine theoretische Beschreibung davon, welche mit Affigierung von Morphen allein keine genügende Abstraktion liefert.

Konkatenative vs. nicht-konkatenative Sprachen 

Ist alles konkatenativ?

Durch die phonetische bzw. graphematische Serialisierung der Sprache könnte im Prinzip schon alles konkatenativ beschrieben werden.

Beschreiben = Strukturieren und Generalisieren

Die Morphologie will aber Beziehungen zwischen morphologischen Einheiten identifizieren und systematisch verallgemeinernd beschreiben.
Worin gleichen/unterscheiden sich flektierte, derivierte Formen? Welche semantischen Bezüge lassen sich (nicht) ausdrücken?

Elegante Theorie und Implementation

Gewisse Phänomene lassen sich nun mal viel eleganter und allgemeiner mittels nicht-konkatenativer Konzepte beschreiben.

9.1.1
 Einfache Reduplikation

Reduplikation mit Ersetzungsregeln 

Reduplikation eines Morphems fester Länge in Tagalog nach [ANTWORTH 1990]




Wurzel CV+Wurzel Bedeutung



pili pipili wählen



kuha kukuha nehmen



Zum Bedeutungsaspekt der reduplizierten Formen siehe etwa http://www.seasite.niu.edu/TAGALog/tagalog_verbs.htm.

Vereinfachtes Tagalog-Beispiel ▸▸▸ 


define AbsVerbs [
   (R E "+")              ! Optionale abstrakte Reduplikation
   [{pili} | {kuha}]     ! Verbwurzeln
];

define Cs [p|k];         ! Konsonanten

define RRule1 [R  -> p || _ E  "+" p];
define RRule2 [R -> k  || _ E "+" k ];

define ERule1 [E  -> i || _ "+" Cs i];
define ERule2 [E -> u  || _ "+" Cs u ];

define Cleanup ["+" -> 0];

define Verbs [ AbsVerbs
 .o. RRule1 .o. RRule2    ! Zuerst R konkretisieren
 .o. ERule1 .o. ERule2    ! Dann E
 .o. Cleanup
];