LFG: Einführung, c- und f-Strukturen

Dozent: Gerold Schneider

Übersicht

Die Behandlung überkreuzender Abhängigkeiten

Es gibt drei Arten, unbeschränkte (und häufig überkreuzende) Abhängigkeiten zu behandeln:

Transformationen

Dies ist die Lösung der TG und der GB. Immer weitere funktionale (meist leere) Kategorien, und immer weitere Transformationen.

Diskontinuierliche Grammatiken

Vor allem Dependenzgrammatiken versuchen, echte Diskontinuität zu verarbeiten. Einige konstituentenbasierte diskontinuierliche Grammatiken gibt es aber auch, (Bunt 1995). Diskontinuierliche Grammatiken sind komputationell sehr schwierig handzuhaben, da sie echt kontextfrei sind:

Beispiel eines Shift-Reduce Parsers: Kontinuierlich n3, Diskontinuierlich nn

Problem: Alles verbindet sich mit allem.

Argumentskomposition

Das Vorgehen von LFG (wie wir sehen werden) und HPSG. Syntaktisch bleiben viele semantisch zusammengehörende Satzteile über weite Distanzen zerstreut, aber sie werden zu einem semantischen Element zusammengeführt. Syntax und Semantik müssen explizit aufeinander abgebildet werden ('mapping')

Charakteristiken von LFG

Zentrale Chararakteristiken von LFG sind:

c-Strukturen und f-Strukturen

LFG verwendet altbekannte PSG-Regeln, die aber annotiert sind: (^ ist Aufwärtspfeil, v ist Abwärtspfeil)

S -->    NP               VP
     (^SUBJ=v)           ^=v

Der Aufwärtspfel zeigt auf den Mutterknoten, der Abwärtspfeil auf den Knoten selbst und besagt, wie die Merkmal-Wert Paare beim Aufbau der f-Strukur zusammenhängen. Obige Regel sagt aus:

S geht über zu einer NP, gefolgt von einer VP. Dabei ist die NP (v) das Subjekt des Mutterknoten S (^SUBJ), und der Kopf der Verbalphrase ist auch der Kopf des Gesamtsatzes.

Dieser Abgleich lässt sich ganz ähnlich auch in PATR notieren:

S -->    NP                VP         #
     S:SUBJ=NP:HEAD  S:HEAD=VP:HEAD

Man kann die Annotierungen z.B. auch so lesen (fürs Beispiel (^SUBJ=v)):

^: Als SUBJ werden all meine Merkmale nach oben gesendet.

Oder für ^=v: Alle meine Merkmale werden unverändert und uneingebettet hochgegeben.

Ein Beispiel

Der Satz "The child worshipped the elephant" hat die c-Struktur

                S
       
      NP                  VP
               
  DET     N         V             NP
   |      |         |          
   |      |         |         DET    N
   |      |         |          |     |
  the   child   worshipped    the elephant

und die folgende f-Struktur

Der Aufbau der f-Struktur geschieht wie folgt:

Die NP-Regel (wobei die Kopf-Annotationen ^=v oft weggelassen werden !)

(A)   NP --> DET  N
             ^=v ^=v

besagt, dass die f-Struktur unverändert, also uneingebettet aus dem Lexikon übernommen werden soll. Der Lexikoneintrag des Artikels

the DET (^DEF) = +

besagt, dass der Mutterknoten NP ein Merkmal DEF mit Wert'+' sein soll. Der Lexikoneintrag des Nomens

child  N       (^PRED) = 'child'
               (^PERS) = 3
               (^NUM)  = SG

besagt, dass der Mutterknoten NP ein Merkmal PRED mit Wert 'child', ein Merkmal PERS mit Wert 3 haben soll, etc. Dies ergibt folgende f-Struktur für den NP the child:

In den Syntaxbaum eingetragen, lassen sich der bisherige f-Struktur-Aufbau so darstellen:

                   S
         
       NP                    VP
       f:                    |
 
                
    DET     N          V               NP
    ^=v    ^=v         |               f:
     |      |          |        
     |      |          |            
     |      |          |           DET      N
     |      |          |           ^=v     ^=v
     |      |          |            |       | 
    the   child    worshipped      the    elephant
(^DEF)=+ (^PRED)                 (^DEF)=+ (^PRED)
          ='child'                         ='elephant'
         (^PERS)=3                        (^PERS)=3
         (^NUM)=SG                        (^NUM)=SG

Der Aufbau der f-Struktur der VP leitet sich ab aus der Regel:

(B)     VP -->     V      (NP)
                  ^=v   (^OBJ)=v

Sie besagt, dass die VP die f-Strukur des Verbs unverändert aus dem Lexikon übernommen soll. Der Lexikoneintrag für die Grundform des Verbs lautet

worship V (^PRED) = 'worship <(^SUBJ)(^OBJ)>'

Die Tempusinformation stammt entweder aus einem Vollformenlexikon oder einem morphologischen Lexikon (AFF bedeutet Affix):

-ed AFF (^TENSE) = PAST

Die Regel (B) besagt weiter, dass die VP die f-Struktur der NP nicht einfach unverändert, sondern als OBJ übernehmen soll (NP f-Strukur als OBJ einbetten oder "einpacken"). Im Syntaxbaum eingetragen lässt sich das wie folgt darstellen:

                   S
         
       NP                    VP
       f:                     f:
 
                
    DET     N          V               NP
    ^=v    ^=v        ^=v          (^OBJ)=v
                                       f:
     |      |                   
     |      |          |            
     |      |          |           DET      N
     |      |          |           ^=v     ^=v
     |      |          |            |       | 
    the   child    worshipped      the    elephant
(^DEF)=+ (^PRED)    (^PRED)      (^DEF)=+ (^PRED)
          ='child'   ='worship             ='elephant'
         (^PERS)=3     <(^SUBJ)             (^PERS)=3
         (^NUM)=SG      (^OBJ)>'            (^NUM)=SG
                    (^TENSE)
                     =PAST

Jetzt fehlt einzig noch die oberste Regel:

(C)     S  -->     NP         VP
                (^SUBJ)=v    ^=v

Sie besagt, dass S die f-Struktur des Verbes unverändert, die f-Struktur des NPs aber als SUBJ übernehmen soll. Im Syntaxbaum eingetragen lässt sich das wie folgt darstellen:

                   S
                   f:
  
        
       NP                    VP
    (^SUBJ)=v                ^=v
       f:                     f:
 
                
    DET     N          V               NP
    ^=v    ^=v        ^=v          (^OBJ)=v
                                       f:
     |      |                   
     |      |          |            
     |      |          |           DET      N
     |      |          |           ^=v     ^=v
     |      |          |            |       | 
    the   child    worshipped      the    elephant
(^DEF)=+ (^PRED)    (^PRED)      (^DEF)=+ (^PRED)
          ='child'   ='worship             ='elephant'
         (^PERS)=3     <(^SUBJ)             (^PERS)=3
         (^NUM)=SG      (^OBJ)>'            (^NUM)=SG
                    (^TENSE)
                     =PAST

Komplexere Regeln

Ein komplexeres Beispiel ist:

VP -->  V    (NP)     (NP)         PP*        (S')
       ^=v  ^OBJ=v   ^OBJ2=v  ^(vCASE)=vOBJ  ^COMP=v

Die Verbphrase besteht aus einem Verb und den zusätzlichen Elementen, die das Verb im Lexikoneintrag fordert (im Subkategorisierungsrahmen). Obwohl in der PSG-Regel fakultativ belassen, sorgt der Lexikoneintrag des Verbes für die richtige Anzahl und Art der Komplemente. Der Eintrag der Verben 'lieben' und 'put' sieht etwa so aus:

lieben V (^PRED = 'love <(^SUBJ)(^OBJ)>'
put    V (^PRED = 'put <(^SUBJ)(^OBJ)(^LOC)>'

Die PP - PSG Regel stellt sicher, dass die LOC - Subkategorisierung eine Präposition wie z.B. 'on' findet:

PP -->   P       NP
        ^=v   (^OBJ=v)
 
on     P (^PRED) = 'on<^OBJ>'
         (^CASE) = LOC

Das ergibt folgende f-Struktur für die PP on the elephant:

Die PP wird dabei als Funktion (Tiefenkasus) LOC in die f-Struktur hochgegeben. ^(vCASE)=v in der VP-Regel sagt aus: Übernehme den Wert meines CASE von unten (v, also LOC) als Merkmal und OBJ als Wert und sende das nach oben. Die VP put the child on the elephant erhält folgende f-Struktur:

Kontrolle (Control)

seem   V  (^PRED) = 'seem <(^XCOMP)>(^SUBJ)'
          (^XCOMP SUBJ) = (^SUBJ)
 
try    V  (^PRED) = 'try <(^XCOMP)(^SUBJ)>'
          (^XCOMP SUBJ) = (^SUBJ)

'try' und 'seem' subkategorisieren für einen untergeordneten Satz. Das Subjekt des untergeordneten Satzes soll dabei auch dasjenige des übergeordneten Satzes sein, wie es GB mit einer Transformation ausdrückt:

[Billy_1 tries [trace_1 to go]].

Das Subjekt von 'seem' kann auch athematisch sein (it seems to work).

Anders als in Subjektskontrolle wird in Objektskontrolle nicht das Subjekt, sondern das Objekt des Hauptsatzes zum (fehlenden) Subjekt des untergeordneten Satzes:

John_1 promises Mary_2 [t_1 to go].

John_1 persuades Mary_2 [t_2 to go].

promise    V  (^PRED) = 'promise <(^XCOMP)(^SUBJ)>'
              (^XCOMP SUBJ) = (^SUBJ)
 
persuade   V  (^PRED) = 'persuade <(^XCOMP)(^SUBJ)>'
              (^XCOMP SUBJ) = (^OBJ)


Gerold Schneider <gschneid@ifi.unizh.ch>
Date of last modification: November 28, 2000.
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