Relativsätze im Deutschen

Martin Volk
Universität Koblenz-Landau
Institut für Computerlinguistik
Rheinau 1
56075 Koblenz
Tel. 0261-9119-469
volk@infko.uni-koblenz.de

Anmerkung: Es handelt sich hier um eine gekürzte Version des zweiten Teils von [Krenn und Volk 93]. Die Hardcopy-Version enthält zusätzlich eine Übersicht über die erstellten Dateien, ihr Format und die gewählten Merkmale.


Abstract

Für das Testwerkzeug DiTo am DFKI Saarbrücken wurde eine Sammlung von Relativsätzen des Deutschen zusammengestellt, die syntaktische Phänomene repräsentieren. Die vorliegende Dokumentation umfasst einen Überblick über die Charakteristika der deutschen Relativsätze. Es werden keine neuen Erkenntnisse über Relativsätze präsentiert, sondern es wird lediglich eine Synopse vieler syntaktischer Relativsatz-Phänomene des Deutschen gegeben (einschliesslich einiger Beobachtungen zur Position des Relativsatzes).

Inhalt


Einleitung

Die hier behandelten Relativsätze sind Nebensätze, die durch ein Relativpronomen (der, welcher, was etc.) oder ein Relativadverb (womit, wodurch, etc.) eingeleitet werden. Ein Relativsatz kann sich auf irgendeine nominale Konstituente des übergeordneten Hauptsatzes beziehen und diese näher bestimmen (attributiver Gebrauch).

Er sieht den Jungen, der ihm die Äpfel klaut.

Weiterhin werden hier Relativsätze behandelt, die scheinbar eine Satzgliedfunktion einnehmen, da das Bezugswort nicht auftritt (vgl. Abschnitt 1.5).

Er macht, was er will.

Und schliesslich enthält die Datensammlung einige Nebensätze, die zwar der Form nach Relativsätze sind, aber ansonsten eher als Satzapposition bezeichnet werden müssen, da für sie kein Bezugswort (auch kein elliptisches) bestimmt werden kann und sie ausserdem nicht erfragt werden können. Engelen (1986:73) führt weitere Argumente zu ihrer Abgrenzung auf und bezeichnet sie als ''Relativischer Anschluss''.

Er sah den Jungen, was er der Frau erzählte.

Eine eindeutige Abgrenzung der Relativsätze zu anderen Arten von Nebensätzen ist auch in anderen Fällen nicht immer möglich. Helbig (1984:154) weist darauf hin, dass es besonders bzgl. der indirekten Fragesätze Überschneidungen gibt. (Beispiele entnommen aus Helbig)

Ich frage ihn, was er tut. (indirekter Fragesatz)  
    <== Was tut er? Ich frage ihn.
Was er tut, ist ungewiss. (Relativsatz) 
    <== Das, was er tut, ist ungewiss.

Das Zeichen ''<=='' wird hier und im folgenden benutzt in der Bedeutung: ''ist möglicherweise entstanden aus''.

Hier ist es nur aufgrund der Semantik des Verbes im Kernsatz möglich zu entscheiden, um welche Art von Satz es sich handelt. Es müssen also Kriterien angelegt werden, die über die äussere Form hinausgehen. Desweiteren gibt es auch Unklarheiten bzgl. der Abgrenzung zu den konjunktionalen Nebensätzen. Eisenberg (1989:233) führt folgende Beispiele an, um zu zeigen, dass es Konjunktionen gibt, die aus Präposition + Relativpronomen hervorgegangen sind:

der Moment, nachdem das passiert ist 
    <== der Moment, nach dem das passiert ist

Engelen rechnet andererseits auch Vergleichssätze der folgenden Art zu den Relativsätzen.

Er benimmt sich so schlecht, wie seine Geschwister sich benommen
haben.

Er argumentiert damit, dass auch bei diesen Sätzen das Kriterium der Denotatsgleichheit zum Tragen kommt. Dieses besagt, dass in Relativsätzen das Bezugswort und das Relativpronomen das selbe Objekt der Wirklichkeit bezeichnen. Engelen sieht die obige Konstruktion analog. Das Bezugsadjektiv und das Relativelement wie bezeichnen den selben Zustand. Wir haben diese Sätze nicht in die Datensammlung aufgenommen, da sie von der äusseren Form des Bezugswortes nicht zu unserer Definition passen. Wir schlagen vor, dass sie für die Datensammlung im Rahmen der Vergleichskonstruktionen mitbehandelt werden.

Ebensowenig gehen wir hier auf die Parallelen zwischen Relativsätzen (''der im Keller singt'') und komplexen Attributen (''der im Keller singende'') ein. Dieses Phänomen überlassen wir der Behandlung von pränominalen Attributen.

 Der Mann, der im Keller singt, ist mein Vater.
 Der im Keller singende Mann ist mein Vater.

Man unterscheidet bei Relativsätzen auf semantisch- pragmatischer Ebene zwischen restriktivem und nicht-restriktivem Gebrauch. Restriktive Relativsätze schränken die Referenzobjekte weiter ein, während nicht-restriktive Relativsätze das gewählte Referenzobjekt nur genauer beschreiben.

Die Männer, die er sah, kannte er gut.
Er sah Hans Krämer, den er genau kannte.

Eine andere, semantische Unterscheidung betrifft die Notwendigkeit eines Relativsatzes. Engelen (1986:58) erklärt, dass ein notwendiger Relativsatz daran erkannt werden kann, dass er nicht durch eine Parenthese ersetzt werden kann. Als Beispiel führt er an:

 Der Kollege, der dieses Buch über die Ausleihfrist
hinaus behalten hatte, erhielt eine Mahnung.
 * Der Kollege - er hatte dieses Buch über die
Ausleihfrist hinaus behalten - erhielt eine Mahnung.

Die Diskussion der semantischen Kriterien soll hier aber nicht weiter vertieft werden, da wir uns auf syntaktische Varianten konzentrieren. Auf der syntaktischen Ebene unterscheiden wir Relativsätze nach folgenden Kriterien

Diese Kriterien sollen im folgenden genauer erläutert werden.

Typ des Relativpronomens

Die flektierbaren Relativpronomen

Das am häufigsten gebrauchte Relativpronomen des Deutschen ist der, die, das. (Der Duden (1973:569) ermittelte, dass 85% aller deutschen Relativsätze mit diesem Relativpronomen beginnen.) Seine Deklinationsformen entsprechen denen des gleichlautenden Demonstrativpronomens (und nur teilweise denen des bestimmten Artikels). Die Form des Relativpronomens hängt vom Bezugswort und von seiner Satzfunktion ab. Bezugswort und Relativpronomen müssen in Numerus und Genus übereinstimmen. Der Kasus ergibt sich aus der Satzfunktion der im Relativsatz ersetzten Konstituente. So ist das Relativpronomen in den folgenden Beispielsätzen Subjekt (im Nominativ), Akkusativobjekt bzw. Dativobjekt.

 Er sieht den Mann, der viel weiss.
 Er sieht den Mann, den er kennt.
 Er sieht den Mann, dem er hilft.

Das Relativpronomen welcher, welche, welches kann immer anstatt des gebräuchlicheren der, die, das stehen. Es wirkt jedoch antiquiert. Werden mehrere Relativsätze gereiht, so kann welcher, welche, welches eingesetzt werden, um eine Variation zu erreichen (vgl. Abschnitt 1.4). Ansonsten kann es z.B. eingesetzt werden, um das Aufeinandertreffen gleichlautender Wörter (im Bsp.: Relativpronomen der und Determinans der) zu vermeiden.

Er traf den Mann, welcher der Erfinder des Gummibärchens ist.
Die Verwendung von welcher, welche, welches im Genitiv ist völlig unüblich.

Normalerweise ist das Relativpronomen ein selbständiges Satzglied im Relativsatz. Eine bemerkenswerte Ausnahme davon ist das Auftreten des Relativpronomens im Genitiv ( dessen, deren) als Determinans einer NP im Relativsatz. Diese Konstruktion entsteht, wenn das Bezugswort eigentlich ein Genitivattribut zu der Konstituente im Relativsatz wäre, jedoch in den Kernsatz ''hinausgeschoben'' wurde oder wenn das Bezugswort durch ein Possessivpronomen wiederaufgenommen wird. Im Kernsatz steht das Bezugswort in dem von der jeweiligen Satzfunktion abhängigen Kasus. Die eigentliche Funktion als Genitivattribut bzw. Possessivpronomen wird durch das Relativpronomen wahrgenommen.

Der Ball, dessen Vorteile unbestreitbar sind, ist gross. 
    <== Der Ball ist gross. 
        Die Vorteile dieses Balles sind unbestreitbar. 
ODER:     
    <== Der Ball ist gross. Seine Vorteile sind unbestreitbar.

Der Mann, von dessen Ball der Junge erzählt, ist gross.

Engelen (1986:57) weist darauf hin, dass bei einem Genitivus partitivus die Konstruktion leicht anders aussehen kann.

Franz hat zahllose Freunde, deren ich zwei persönlich kenne. 
    <== Franz hat zahllose Freunde. Ich kenne zwei dieser Freunde
        persönlich.

Im Relativsatz werden also Relativpronomen und Zahlwort (= der eigentliche nominale Kern) durch das Personalpronomen in Subjektfunktion getrennt. Im heutigen Sprachgebrauch wird in solchen Fällen wohl häufiger die Konstruktion von+Relativpronomen gewählt.

Franz hat zahllose Freunde, von denen ich zwei persönlich
kenne.

Auch in der folgenden Konstruktion ist das Relativpronomen kein Satzglied des Relativsatzes sondern eines ihm untergeordneten Satzes.

Das Haus, das gestern zu säubern er mir versprochen hatte, ist
noch schmutzig wie zuvor. 
    <== Das Haus ist noch schmutzig wie zuvor. 
        Er hatte mir versprochen, das Haus gestern zu säubern.

Das Relativpronomen wird also aus dem abhängigen Infinitivsatz an den Beginn des Relativsatzes ''bewegt'' und zieht den Rest des Infinitivsatzes (möglicherweise) mit sich. Dieser Effekt ist in der Literatur als Rattenfänger-Effekt (engl. ''Pied Piping'') bekannt und viel diskutiert. Eine kurze Beschreibung findet sich in Eisenberg (1989:228).

Andere Relativpronomen und Relativadverbien

Es ist zweifelhaft, ob die Relativelemente was, wer, wie und wo als Relativpronomen bezeichnet werden können, da sie nicht flektierbar sind. (Eisenberg (1989:229-230) versucht zwar für wer und was ein Flektionsparadigma, dem die Femininumkomponente fehlt, aufzustellen. Diese Sicht ist aber ansonsten unüblich.) Die Begründung für diese Bezeichnung muss also über die Funktion dieser Elemente geführt werden. Diese Relativelemente verhalten sich wie Relativpronomen, indem sie auf das selbe Objekt verweisen wie ihr Bezugswort. Im folgenden beschreiben wir die Einsatzbedingungen für diese Elemente.

Ist das Bezugswort ein Abstraktum und wird dieses als Subjekt oder Akkusativobjekt im Relativsatz wiederaufgenommen, so kann das Relativpronomen was stehen. Es betont den Charakter des Abstrakten, während das auf eine konkrete Instanz hindeuten würde. was steht besonders häufig,

  1. wenn das Bezugswort eine abstrakte Menge (z.B. durch ''alles, vieles'') beschreibt.
    All das Schöne, was die Jungen gesehen hatten, war zerstört.
    

  2. wenn das Bezugswort ein substantiviertes Adjektiv oder Partizip ist (besonders wenn es im Superlativ steht).
    Das war das Komischste, was die Jungen gesehen hatten. 
    

  3. wenn das Bezugswort ein indefinites sächliches Pronomen ist.
    Ich glaube das, was du mir erzählt hast.
    

  4. wenn es sich auf den gesamten Sachverhalt bezieht. Man spricht dann vom relativischen Anschluss. Siehe dazu die obige Einleitung.

Als Abgrenzung steht bei Jude (1977:276), dass was niemals in Verbindung mit einer Präposition auftritt und nicht stehen kann, wenn das Bezugswort ein sächliches Konkretum ist.

Ist das Bezugswort ein Demonstrativpronomen, so kann der Relativsatz vor das Bezugswort gestellt werden (vgl. Abschnitt 1.3). Steht der Relativsatz in dieser Position, so wird er durch wer, wessen, wem, wen (bei sächlichem Demonstrativum mit was) eingeleitet. Das Relativpronomen hat jetzt kataphorischen Charakter.

 Wer den Jungen sieht, der hilft dem Mann.
 Wen der Junge sieht, der hilft dem Mann.
 Was der Junge sieht, das ist neu.

Stimmen in diesen Fällen die Kasus von Relativpronomen und Demonstrativpronomen überein, so kann letzteres auch weggelassen werden (mehr dazu in Abschnitt 1.5).

Ist das Bezugswort ein Abstraktum und wird dieses im Relativsatz als Adverbial wiederaufgenommen, so steht als Relativpronomen wie.

 Die Art, wie der Junge dem Mann hilft, ist bedenklich.
 Es ist ein Glück, wie der Junge dem Mann hilft.

Ist das Bezugswort eine Raum- oder Zeitangabe und wird diese im Relativsatz als Adverbial wiederaufgenommen, so steht als Relativpronomen wo. Das gilt besonders bei Bezug auf Ortsnamen. Hier kann sich auch der ungewöhnliche Fall ergeben, dass das Bezugswort ein Adverb ist (vgl. Bsp.).

Das Haus, wo der Junge dem Mann hilft, ist gross.
Es ist lange her, wo die Jungen den Baum sahen.
Paris, wo der Mann das Haus sieht, ist gross.
Dort, wo das Haus steht, habe ich ihn gesehen.

Das Relativpronomen wo kann mit einer der folgenden Präpositionen zu einem Relativadverb komponiert werden: aus, bei, mit, nach, von, zu an, auf, hinter, in, neben, über, unter, vor, zwischen für, gegen, um (Liste entnommen aus Engelen 1986:54). Bei Präpositionen, die auf Vokal beginnen, tritt der Gleitlaut r zwischen die beiden Elemente. wo+Präposition steht im Relativsatz anstatt Präposition + Relativpronomen. Das Relativadverb wird häufig verwendet, wenn das Bezugswort ein Demonstrativpronomen ist (das Aufeinandertreffen von Demonstrativ- und gleichlautendem Relativpronomen wird dadurch vermieden) oder wenn das Relativadverb stark lexikalisiert ist (z.B. durch häufige Verwendung als Interrogativpronomen).

 Der Mann sieht den Weg, woher die Jungen gehen.
 Das Haus, woran der Junge denkt, ist gross.
 Das ist es, wofür er sich bedankt.

Alternativ zu dem Einsatz eines Relativadverbs kann auch die Präposition mit dem ''Standard''-Relativpronomen stehen. Es ist dies einer der wenigen Fälle, wo das Relativpronomen nicht unmittelbar zu Beginn des Relativsatzes steht, sondern auf die Präposition folgt. Der Kasus des Relativpronomens wird von der Präposition regiert.

 Das Haus, an das der Junge denkt, ist gross.
 Die Bälle, aufgrund derer der Streit begann, sind
gross.

Auch die seltenen Zirkumpositionen können mit dem Relativpronomen auftreten.

Der Berg, von dem aus man das Haus sieht, ist
gross.

Bei den (ebenfalls seltenen) Postpositionen, die den Genitiv fordern, geht das Relativpronomen mit der Postposition eine orthographische Einheit ein. Wegen der besseren Aussprache wird ein Fugen-t eingeschoben.

Er sah die Frau, derentwegen er nach Hause gekommen war. 
    <== Er sah die Frau. Der Frau wegen war er nach Hause gekommen.

Anstatt wo kann auch da eingesetzt werden und zwar sowohl als alleinstehendes Relativpronomen wie auch als Relativadverb. Jedoch wirkt der Gebrauch von da heute sehr antiquiert.

 Wo warst du an dem Tag, da der Mann dem Jungen half?
 Das Haus, darin sie die Jungen sahen, ist gross.

Typ des Bezugswortes

Personalpronomen als Bezugswort

Zu Beginn von Abschnitt 1.1 hatten wir gesagt, dass das Relativpronomen im Relativsatz die Satzfunktion der von ihm vertretenen Konstituente übernimmt. Eine bemerkenswerte Abweichung von diesem Schema bilden Relativsätze, wo das Bezugswort ein Personalpronomen in der ersten oder zweiten Person ist. Dort kann das Bezugswort im Relativsatz hinter dem Relativpronomen wiederholt werden, wenn das Relativpronomen Subjektfunktion hätte.

 Ich verstehe dich, der du soviel arbeiten musst. 
ODER: Ich verstehe dich, der soviel arbeiten muss.
 Ich verstehe dich, den wir sehr bewundern.

In solchen Sätzen ist die Funktion des Relativpronomens lediglich darauf beschränkt, den Relativsatz zu markieren. Das Personalpronomen übernimmt die eigentliche Subjektrolle im Relativsatz, was daraus ersichtlich ist, das es mit dem finiten Verb kongruiert. Ähnlich wie die Wiederholung des spezifischen Personalpronomens kann auch ein zusammenfassendes Personalpronomen (z.B. ''alle'') für ein Bezugswort im Plural stehen.

Ich sah drei Jungen, die alle dem Mann halfen.

In einem speziellen Fall besteht diese Wiederholmöglichkeit auch für Personalpronomen der 3. Person und zwar dann, wenn das Bezugswort im Relativsatz als Prädikativum fungiert.

Er beteiligte sich wie ein Freund, der er nicht war.

Bezugswort mit Auswahl aus Menge

Beschreibt das Bezugswort die spezifische Auswahl (Singular) aus einem Plural-Genitiv-Attribut, so steht das Relativpronomen dennoch im Plural.

 Der Junge war einer der ersten, die den Mann sahen.
 Das ist eines der ersten Häuser, die hier gebaut wurden.

Demonstrativpronomen als Bezugswort

Die Besonderheiten bei der Verwendung von Demonstrativpronomen werden in Abschnitt 1.3.2 ausführlich behandelt.

Position des Relativsatzes im Kernsatz

Position bei attributivem Gebrauch

Relativsätze in attributiver Funktion stehen im klassischen Fall unmittelbar hinter dem Bezugswort. Es gibt jedoch Konstellationen, wo von dieser Reihenfolge abgewichen wird. So kann der attributive Relativsatz in Konkurrenz zu anderen postnominalen Attributen wie z.B. Genitivattributen oder Präpositionalattributen stehen.

Peter blickte auf das Haus seines Onkels, das er schon
seit seiner Jugend kannte.
Peter blickte auf das Haus am Waldrand, das er schon seit
seiner Jugend kannte.

Das Genitivattribut kann nicht hinter den Relativsatz treten und führt zwangsweise zu einer Verschiebung des Relativsatzes (In vielen Fällen wäre es natürlich möglich, das Genitivattribut als pränominales Attribut zu verwenden: ''Peter blickte auf seines Onkels Haus, das er schon seit seiner Jugend kannte.''.) Aber auch das Präpositionalattribut steht meist unmittelbar hinter dem Bezugswort und verschiebt somit das Relativsatzattribut. Der Grund dafür liegt darin, dass das Präpositionalattribut leicht die Funktion eines Satzattributs einnimmt, wenn es von einem Bezugswort entfernt steht.

Peter sah die Brücke im Tal, die sich bewegte.

Bei den bisherigen Beispielen war zwar der Relativsatz durch ein anderes Attribut verdrängt, jedoch folgte er noch immer unmittelbar auf die Bezugskonstituente. Es gibt jedoch auch Fälle, wo eine andere (bzw. ein Teil einer anderen) Konstituente zwischen das Bezugswort und den Relativsatz tritt.

Z.B. tritt die Verschiebung des Relativsatzes auf, wenn er sich auf ein Bezugswort bezieht, das in einem Funktionsverbgefüge (z.B. ''Bescheid geben'') eingebettet ist.

Der Professor gab dem Jungen Bescheid, der die Arbeit gestern abgegeben hatte.

Würden durch den Relativsatz nur geringfügige ''Restbestände'' des Kernsatzes abgetrennt, so können diese vor den Relativsatz gezogen werden. Das gilt z.B. bei Matrixsätzen für den infiniten Teil einer Verbalgruppe oder für ein abtrennbares Verbpräfix sowie bei Nebensätzen für die gesamte Verbalgruppe.

 Der Mann hat den Jungen gesehen, der mit dem Ball spielte.
 Der Mann holte den Jungen ab, der mit dem Ball spielte.
 Er lief, weil er den Mann gesehen hatte, den er so
    sehr fürchtete.

Diese Tendenz zur Verschiebung des Relativsatzes ist umso stärker, je komplexer der Relativsatz ist.

Im Rahmen der Extraposition kann ein Relativsatz an das Ende des Gesamtsatzes geschoben werden. Es ist dies eine stilistische Variante, die wohl dazu verwendet wird, eine besondere Spannung im Satz aufzubauen. Das Bezugswort wirkt dadurch noch stärker topikalisiert. Die Extraposition tritt auch bei Infinitivkonstruktionen, Subjekt-, Objekt- oder Adverbialsätzen auf und muss im Rahmen der Wortstellungsphänomene ausführlicher behandelt werden. Hier wird nur ein Belegsatz für eine Relativsatz-Extraposition aufgeführt:

Ein Buch wurde im letzten Jahr veröffentlicht, das du
unbedingt lesen musst.

Ist das Bezugswort ein Demonstrativpronomen, so kann der Relativsatz (eingeleitet von wer, wessen, wem, wen) vor das Bezugswort gestellt werden (vgl. Abschnitt 1.2). Das Demonstrativpronomen steht dann im Kernsatz immer in Erststellung.

 Wer den Jungen sieht, der hilft dem Mann.
 Wen der Junge sieht, den kennt der Mann.

Position bei nicht-attributivem Gebrauch

Wird der Relativsatz als Satzglied gebraucht, so ist seine Stellung ähnlich wie die des von ihm ersetzten Satzglieds. Hat er z.B. Subjektfunktion, so steht er vorzugsweise vor dem finiten Verb des Kernsatzes. Der Relativsatz tendiert mit wachsender Komplexität an den Satzanfang oder an das Satzende.

 Wer das Ziel als Erster erreicht, hat das Spiel gewonnen.
 Er tat, was ich wollte.

Wird der Relativsatz appositional gebraucht, so steht er hinter dem Kernsatz.

Er sah den Jungen, was er der Frau erzählte.

Anzahl der Relativsätze im Kernsatz

Relativsätze können geschachtelt werden oder durch Konjunktionen verbunden werden.

  Der Junge, den das Haus, das auf dem Berg steht,
gestört hat, ist jetzt zufrieden.
 Der Junge, den der Mann sah und dessen Auftreten sicher
war, half uns.

Bei der Schachtelung kommt es häufig vor, dass die Relativpronomen der, die, das und welcher, welche, welches variiert werden, um die Monotonie der Konstruktion zu vermeiden.

Der Junge, den das Haus, welches auf dem Berg steht, gestört
hat, ist jetzt zufrieden.

Zum anderen kommt es häufig vor, dass der tiefer eingebettete Relativsatz ''verschoben'' wird (in dem Sinne wie oben diskutiert). Das heisst, der übergeordnete Relativsatz wird zuerst abgeschlossen, bevor der nächste begonnen wird. Dieses Vorgehen erhöht die Lesbarkeit, da der ''mentale Stack'' des Lesers entlastet wird.

Der Junge, den das Haus gestört hat, das auf dem Berg steht,
ist jetzt zufrieden.

Funktion des Relativsatzes im Kernsatz

Wie bereits oben erwähnt, unterscheiden wir grundsätzlich 3 Funktionen, die ein Relativsatz einnehmen kann:

Auf den attributiven Gebrauch sowie auf die Apposition soll hier nicht näher eingegangen werden. Diese wurden oben bereits ausreichend dargestellt. Wir hatten dort behauptet, dass ein Relativsatz auch als Subjekt oder Objekt fungieren kann.

 Wer zu spät kommt, fliegt raus.
 Wer das behauptet, kann ich mir vorstellen.

Engelen spricht jedoch davon, dass es sich hierbei um ''Relativsätze mit implizitem nominalem, pronominalem oder adverbialem'' Bezugswort handelt. Das Bezugswort ist in diesen Fällen relativ inhaltsleer (meist Pronomen) und kann weggelassen werden, wenn es im selben Kasus steht wie das Relativpronomen.

Wer zuerst am Ziel ist, gewinnt. 
    <== Wer zuerst am Ziel ist, der gewinnt.

Wird das Bezugspronomen auf diese Art weggelassen, muss manchmal das Relativelement geändert werden (im folgenden Beispiel von der zu wer).

Wer zuerst am Ziel ist, gewinnt. 
    <== Derjenige, der zuerst am Ziel ist, gewinnt.

Engelen argumentiert, dass in diesen Fällen Bezugswort und Relativpronomen zusammenfallen und sich daraus die neue Form ergibt. Diese Veränderung kann nur dann unterbleiben, wenn es sich um eine bestimmte Person handelt:

Der so da stand, war mein Vater.

Da es sich bei der Syntaxanalyse in Zweifelsfällen oft als vorteilhaft erweist, die Analyse vorzuziehen, die ohne Ellipsen auskommt, werden diese Relativsätze hier als Sätze mit Satzgliedwert bezeichnet.

Literatur

Eise89
Peter Eisenberg: Grundriss der deutschen Grammatik. Stuttgart: Metzler Verlag. (2. Auflage) 1989.
Enge86
Bernhard Engelen: Einführung in die Syntax der deutschen Sprache. Satzglieder und Satzbaupläne. Baltmannsweiler: Pädagogischer Verlag Burgbücherei Schneider. 1986.
Erbe72
J. Erben: Deutsche Grammatik. Ein Abriss. München: Hueber Verlag. 1972.
Greb73
DUDEN. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Mannheim: Bibliographisches Institut. 1973.
Helb84
G. Helbig: Studien zur deutschen Syntax. Leipzig: VEB Verlag Enzyklopädie. 1984.
Jude77
W. K. Jude: Deutsche Grammatik. (Neufassung Rainer F. Schönhaar). Braunschweig: Westermann. 1977.
Prid86
G. D. Prideaux and Baker: Strategies and Structures. The processing of relative clauses. Amsterdam: John Benjamins. 1986.

Autor: Martin Volk